Standorttreu und multitasking-fähig – die Hufeisennase kann gleichzeitig rufen und horchen!

 

Dr. Andreas Müller, Düsseldorf

Ihren Namen verdanken die Hufeisennasen einem auffälligen häutigen Nasenblatt, das hufeisenförmig die Oberlippe bedeckt und die Nasenlöcher umgibt. Neben den Glattnasen (Familie Vespertilionidae), zu denen die anderen 24 Fledermausarten in Deutschland gehören, gibt es bei uns zwei Arten aus der Familie Rhinolophidae – die Kleine und die Große Hufeisennase.

Systematik und Arten

Zusammen mit den Schlitznasen-Fledermäusen (Fam. Nycteridae), den Großblattnasen (Fam. Megadermatidae) und den Rundblattnasen (Fam. Hipposideridae) bilden die Hufeisennasen die Überfamilie der Rhinolophoidea, der Hufeisennasenartigen. Die rezente Familie der Hufeisennasen umfasst nur die eine Gattung Rhinolophus mit etwa 70 Arten, die zumeist in den Tropen und Subtropen leben. In Europa leben fünf Hufeisennasenarten, davon drei nur im Balkan- bzw. Mittelmeergebiet: Die Blasius-Hufeisennase (Rhinolophus blasii Peters, 1866), die Mittelmeer-Hufeisennase (Rhinolophus euryale Blasius, 1853) und die Mehely-Hufeisennase (Rhinolophus mehelii Matschie, 1901). 

Zwei Arten kommen auch in Deutschland vor:

a) Die Große Hufeisennase (Rhinolophus ferrumequinum Schreber, 1774)

Neben der Nominatform Rhinolophus ferrumequinum Schreber, 1774 gibt es noch eine weitere Unterart Rhinolophus ferrumequinum proximus K. Anderson, 1905 (Transkaukasien bis Indien).

b) Die Kleine Hufeisennase (Rhinolophus hipposeridos Borkhausen, 1797)

Neben der Nominatform Rhinolophus hipposeridos hipposeridos Borkhausen, 1797 existieren noch vier weitere Unterarten: R. hipposeridos escalerae K. Andersen, 1918 (Marokko, Algerien, Tunesien), R. hipposeridos majori K. Andersen, 1918 (Korsika), R. hipposeridos midas K. Andersen, 1918 (Georgien, Iran, Irak u.a.) und R. Hipposeridos mimimus Heuglin, 1862 (Mittelmeergebiet, Spanien bis Türkei).

Das Ursprungsgebiet der Hufeisennasen liegt in Südostasien, wo der Vorfahre im tropischen Regenwald des Paläozäns (vor ca. 66 – 56 Millionen Jahren) geflogen ist. Dies wird durch zahlreiche Fossilfunde belegt. In Europa stammen die ältesten fossilen Funde aus dem Eozän (vor ca. 56 – 33,9 Millionen Jahren).

Körpermerkmale der beiden Hufeisennasenarten

Das Hauptmerkmal der Hufeisennasen ist das o.g. hufeisenförmige Nasenblatt, welches von einer anderen häutigen Struktur, der pfeilspitzenartigen sogenannten Lanzette, sowie dem beilartig geformten Längskamm überragt wird. Die Ohren sind relativ groß und an der Basis breit. Ein Tragus (Ohrdeckel), wie bei den Glattnasen-Fledermäusen fehlt und es ist ein sogenannter Antitragus ausgebildet, der horizontal am unteren Ohrenrand verläuft. Die Augen sind recht klein. Die Flügel sind bei beiden Arten breit und gedrungen, was einen wendigen Flug und eine hohe Manövrierfähigkeit z.B. durch das Laub der Bäume erlaubt. Die Fluggeschwindigkeit liegt bei 3 – 6 m/s.

Biologie und Ökologie der Hufeisennasen

Als wärmeliebenden Tiere leben die meisten Arten der Hufeisennasen weltweit eher in den Tropen oder Subtropen. Der Ausflug aus den Tagesquartieren erfolgt bei den Hufeisennasen erst nach Sonnenuntergang. Sie fliegen bevorzugt in warmen Nächten, kühles und regnerisches Wetter sowie starker Wind beeinträchtigen den Ausflug oder unterbinden ihn. Als Tagesquartiere dienen ihnen Orte mit einer konstant niedrigen Temperatur, wie Höhlen, Stollen oder Felsspalten, aber auch Gebäude, in denen ähnliche Temperaturverhältnisse vorliegen. Sie wurden aber auch in Heizungskellern und auf dunklen Dachböden gefunden. 

Wichtig ist dabei, dass die Fledermäuse ungehindert in ihre Quartiere ein- und ausfliegen können. Hufeisennasen hängen frei von der Decke, an Mauervorsprüngen oder an Elektroleitungen und wahren in der Regel eine Distanz zur nächsten Fledermaus. An kühleren Tagen und zur Zeit der Jungenaufzucht hängen sie aber auch in kleineren Gruppen zusammen, um Körperwärme auszutauschen. 

Die Männchen leben einzelgängerisch und treffen zur Paarungszeit im Herbst mit den Weibchen zusammen. In den Winterquartieren können sich beide Geschlechter zusammen aufhalten, die sich dann im Frühjahr wieder trennen und für den Sommer getrennte Tagesquartiere aufsuchen. In den Wochenstuben, wo die Jungtiere aufgezogen werden, finden sich neben den erwachsenen Weibchen auch subadulte Weibchen und Männchen.

Hufeisennasen gehören zu den standorttreuen Fledermäusen, das heißt sie wandern nicht, wie andere Fledermausarten. Im Oktober oder November bei Einsetzen der ersten Kälteperiode suchen die Hufeisennasen frostfreie Winterquartiere auf und ihr Winterschlaf beginnt. Sie senken ihre Körpertemperatur bis nahe 0°C und hängen so erstarrt an den Decken ihre Quartiere. Sinkt die Temperatur am Hangplatz weiter ab, wacht die Fledermaus auf und sucht sich einen günstigeren Platz, wo der Winterschlaf fortgesetzt wird. Wacht eine Fledermaus zu oft auf oder wird sie zu oft gestört, werden ihre Energievorräte aufgebraucht und sie kann sterben. Hufeisennasen überwintern tiefer in Stollen oder Höhlen, weit weg vom Eingang bei etwa 8 – 10 C Umgebungstemperatur. Bei günstiger Witterung im Frühjahr erwärmt sich die Fledermaus innerhalb von 30 – 60 min und verlässt das Winterquartier.

Die äußere Unterscheidung der Geschlechter ist bei Hufeisennasen nicht möglich. In den Herbstmonaten erfolgt die Paarung und erst im darauffolgenden Frühjahr werden die weiblichen Eizellen durch die, im Winterschlaf im Uterus des Weibchens gespeicherten männlichen Samenzellen befruchtet. In der Regel hat ein Weibchen nur ein Jungtier pro Jahr. Die Weibchen finden sich zu Wochenstuben zusammen, wo die Jungen geboren werden. Neben den beiden eigentlichen Milchdrüsen, den Zitzen, haben die Hufeisennasen noch ein paar Haftzitzen in der unteren Bauchregion, wo sich das Jungtier durch Festsaugen halten kann. Nachts fliegen die Mütter aus und lassen die Jungtiere allein im Quartier. Da diese oft noch nackt sind oder nur wenig Fell besitzen, können sie schnell auskühlen. Die Ernährung der Jungtiere durch die Mütter erfolgt 4 bis 5 Wochen lang und nach 3 Wochen beginnen die Jungtiere mit ersten Flugversuchen. 

Durch den Fund eines beringten Tieres konnte ein Alter von bis zu 30 Jahren für Hufeisennasen festgestellt werden – die meisten Tiere werden jedoch nicht so alt. Man schätzt, dass etwa die Hälfte aller Jungtiere den ersten Winter nicht überlebt, die mittlere Lebenserwartung wird auf 4 bis 5 Jahre geschätzt.

Hufeisennasen sind, wie alle Fledermäuse in Deutschland, Insektenfresser. Die Insekten werden im Flug mit den Flügeln erbeutet und zum Maul geführt. Dabei nehmen sie innerhalb einer Nacht bis zu 20 – 30% ihrer Körpermasse an Insekten auf. Die Beuten wird mittels Echolauten, die anders als bei den Glattnasenfledermäusen nicht aus dem Maul, sondern der Nase ausgestoßen werden, geortet. Die Laute werden von den beweglichen Ohren aufgenommen, wodurch sich die Fledermäuse ein akustisches Bild ihrer Umgebung machen können.

Jedes Nasenloch ist dabei eine punktförmige Schallquelle, die Laute selber werden im Kehlkopf gebildet. Durch das hufeisenförmige Nasenblatt wird das Schallfeld eingeengt und in Flugrichtung gebündelt, wobei jede Hufeisennasenart ihre eigene Ortungsfrequenz hat, wodurch man sie mit Hilfe eines Fledermaus-Detektors unterscheiden kann. Hufeisennasen senden lange, konstant frequente Laute mit einem frequenzmoduliertem Anfangs- und Endteil aus, die bei 10 – 15 Kilohertz (kHz) liegen. Im Suchflug werden nicht ununterbrochen Laute ausgestoßen und Pausen dazwischen eingeschaltet. Erst bei Annäherung an ein Hindernis oder ein Beutetier steigert sich die Häufigkeit der Laute bis zu 70 bis 80 Laute pro Sekunde. 

Hufeisennasen hängen sich gerne an Äste und orten ihre Umgebung von diesem Standort aus. Dabei können sie das Flügelschlagen eines Insektes vor dem Rauschen der Blätter im Hintergrund unterscheiden, da das sog. Stör-Echo der Blätter weitgehend konstant bleibt, während das fliegende Insekt rhythmische Frequenzveränderungen aussendet, die die Fledermaus dann erkennt – sie ist also auf die Flügelschlag-Detektion spezialisiert.

Die Kleine Hufeisennase (Rhinolophus hipposeridis Borkhausen, 1797)

Die Kleine Hufeisennase ist die kleinste Art der fünf europäischen Hufeisennasen. Ihr Fell ist locker, weich und von variabler Färbung, oberseits bräunlich bis grau und unterseits gelblichbraun, grau oder grauweiß. Es wurden auch schon albinotische Tiere (reinweiß, mit roten Augen) gefunden. Die Ohren sind relativ groß und überragen die Spitze der Schnauze. Die Flügel sind breit gerundet, die Hinterfüße klein. Im Winterschlaf hüllen sich die Fledermäuse vollständig in ihre Flughäute ein.

Die Verbreitung der Kleinen Hufeisennase reicht im Nord-Westen von Irland über England, Spanien, Frankreich, Belgien, Luxemburg bis zur Mosel nach Deutschland und vom Süd-Osten über Russland, die Ukraine, Griechenland, Türkei, Tschechien, Slowakei, Österreich bis nach Deutschland. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war die Kleine Hufeisennase in den deutschen Mittelgebirgen noch häufig anzutreffen, bis sie nach und nach in den rheinischen Lebensräumen, dem Harz, der Frankenalb und der Eifel ausgestorben ist. In vielen Bundesländern gilt sie als ausgestorben. Nur in Thüringen, Sachsen-Anhalt und in Sachsen konnte sich der Bestand erholen, sodass er 1998 auf etwa 350 Tiere geschätzt wurde.

Die Große Hufeisennase (Rhinolophus ferrumequinum Schreber, 1774)

Die Große Hufeisennase ist die größte Hufeisennasenart in Europa. Sie hat kurze und breite Flügel, was einen wendigen Flug auf engstem Raum in dichter Vegetation ermöglicht. Sie hat ein dichtes, weiches Fell, oberseits graubraun bis gelbbraun und unterseits heller grauweiß, gelblichweiß oder hellbraun. Wie die Kleine Hufeisennase auch, hüllen sich die Tiere im Winterschlaf in ihre Flughäute ein. Am Kopf und an den Füßen befinden sich lange Tasthaare, die beim Klettern im dunklen Quartier der Orientierung dienen. Die Hauptverbreitung der Großen Hufeisennase liegt im Mittelmeergebiet und in den Balkanländern. Nördlich kommt sie über Süddeutschland, Luxemburg, Belgien bis nach Südwestengland vor. Südlich ist sie in Spanien, Frankreich, Italien, Griechenland, Türkei bis nach Osteuropa verbreitet. Derzeit gibt es nur wenige Nachweise in Winterquartieren des Nahetals, Saartals und Moseltals und noch etwas größere Vorkommen im Saarland an der Grenze zu Frankreich und in Oberbayern (Stand 1998). In den Wintern der Jahre 2008 und 2009 wurde eine Große Hufeisennase in einem Stollen bei Hagen (Westfalen) entdeckt und einzelne Tiere wurden in mehrmals seit 2007 in einem Grubenkomplex bei Mechernich in der Eifel beobachtet. Zwischen den beiden Fundorten Hagen und Mechernich liegen etwa 100 km Luftlinie und zwischen den nächsten größeren Vorkommen in Belgien und Hagen sind es 150 km, während die Luftlinie von Hagen bis zum Vorkommen im Raum Trier 180 km Luftlinie beträgt. Da Große Hufeisennasen, obwohl sie sehr standortstreu sind, im Einzelfall Wanderungen von über 180 km zurücklegen können, ist es möglich, dass das Einzeltier in Hagen aus den größeren Vorkommen bei Trier oder aus Belgien stammt.


Große und Kleine Hufeisennase

Gefährdung und Schutz

Obwohl in großen Teilen ihres Verbreitungsgebiets, besonders in Mitteleuropa, die Bestände der Kleinen Hufeisennase und der Großen Hufeisennase seit etwa Mitte des 20. Jahrhunderts zurückgehen, werden beide Arten aufgrund ihres großen Verbreitungsgebiets seitens der Weltnaturschutzunion (IUCN) als „nicht gefährdet“ eingestuft. Als Hauptgründe für den Bestandsrückgang werden der Verlust von geeigneten Quartieren bzw. der Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft und der damit verbundene Rückgang des Nahrungsangebotes an Insekten, genannt.

In der Roten Liste Deutschland von 2020 haben die Kleine Hufeisennase und die Große Hufeisennase den Status 1 (Vom Aussterben bedroht). In der Roten Liste von NRW ist die Große Hufeisennase vom Aussterben bedroht (Status 1) und die Kleine Hufeisennase bereits ausgestorben (Status 0). Nach Bundesnaturschutzgesetz sind beide Arten, wie alle Fledermäuse in Deutschland, streng geschützt.

Quellen

Blauscheck Ralf und Henning Vierhaus (2010): Eine Große Hufeisennase, Rhinolophus ferrumequinum (Schreber, 1774), in Westfalen. Nyctalus 15(2-3): 191-194

Csorba Gabor, Peter Ujhelyi and Nikki Thomas (2003): Horseshoe bats of the world. Alana Books Shropshire: 1-200

Schober Wilfried (1998): Die Hufeisennasen Europas. Die Neue Brehm-Bücherei Band 647. Westarp Wissenschaften, Hohenwarsleben

© Text und Zeichnung  Dr. Andreas Müller, Düsseldorf