Alles auf Sparflamme – Fledermäuse und Winterschlaf 

Von Dr. Andreas Müller

Warmblüter und Kaltblüter

Die Mehrzahl aller Tierarten auf der Erde kann die eigene Körpertemperatur nicht wesentlich über die Umgebungstemperatur steigern. Das heißt, wenn es kalt wird, sind diese Tiere mehr oder weniger zur Regungslosigkeit verurteilt. Diese Arten nennt man umgangssprachlich „Kaltblüter“ oder „Wechselwarme“ (wissenschaftlich: Poikilotherme) und zu ihnen gehören alle Wirbellosen, Fische, Amphibien und Reptilien. Zu den „Warmblütern“ oder Gleichwarmen“ (wissenschaftlich: Homoiotherme) gehören Vögel und Säugetiere, da sie ihre Körpertemperatur auf einem etwa gleichen Niveau regulieren können. Allerdings kostet diese Wärmeregulation viel Energie, die durch Nahrungszufuhr gewonnen werden muss. Deshalb benötigen Säugetiere, zu denen auch die Fledermäuse gehören, deutlich mehr Nahrung für ihren Stoffwechsel als beispielsweise Eidechsen. Durch einen Gefieder- oder Fellwechsel oder durch eine verringerte Durchblutung der Haut können Warmblüter ihre Wärmeisolation verbessern und dadurch auch ihre Energiebilanz.

Infolge ihres Körperbaus und der Tatsache, dass sie als einzige Säugetiere fliegen können, sind Fledermäuse besonders zum Energiesparen verpflichtet und haben von allen Säugetieren die größte Anzahl an Temperaturregulationsmechanismen. Aufgrund ihrer stark durchbluteten Flughäute ist ihre Körperoberfläche im Verhältnis zur Körpermasse viel größer als bei beispielsweise gleichschweren Mäusen oder Spitzmäusen. Aufgrund ihrer Größe können Flughunde oder auch größere Fledermäuse in den Tropen ihre Körpertemperatur Tag und Nacht und auch während des Fluges oder des Ruhens auf gleichem Niveau halten. Unsere heimischen, deutlich kleineren Fledermäuse können dies nicht so einfach.

Tagesschlaflethargie oder Torpor

In unseren gemäßigten Klimazonen zeigen Fledermäuse deshalb auch einen Unterschied in der Wärmeregulation während der Wach- und Ruhephasen. Wie der Fledermausforscher Martin Eisentraut feststellte, zeigten Fledermäuse, die in ihren Sommerquartieren am Tage untersucht wurden, zu niedrige Körpertemperaturen (etwa 16 bis 18 °C), um sich noch groß bewegen zu können oder spontan aufzufliegen, was Eisentraut als „Tagesschlaflethargie“ bezeichnete. Heute wird dieser Zustand als Torpor bezeichnet. In der Nacht stieg dann die Körpertemperatur wieder auf 35 bis 42°C an, also auf eine gute Betriebstemperatur zum Fliegen. 

Dabei hängt die Tagesschlaftemperatur der Fledermaus von der Umgebungstemperatur ab und je tiefer die Körpertemperatur ist, desto mehr ist die Bewegungsfähigkeit der Fledermaus eingeschränkt. Dieser Torpor kann recht schnell unterbrochen werden, da sich die Fledermäuse in etwa 30 Minuten wieder auf Betriebstemperatur aufwärmen können. In Kolonien von Fledermäusen wurde beobachtet, dass es an kühlen Tagen (um die 11°C) aktive und lethargische Tiere gab, alle Männchen waren in Torpor, während die Weibchen aktiv ihre Jungen säugten. Als die Temperatur weiter sank, gingen auch die Weibchen und Jungtiere in Torpor. Ein Topor ist verbunden mit der Reduktion der Körpertemperatur, dem Abfall der Sauerstoffaufnahme (reduzierte Atmung), der Verringerung der Herzschlagfrequenz und einem reduzierten Blutfluss in die Extremitäten, deren Blutgefäße sich zusammenziehen.

Winterschlaf

Der Winterschlaf ist ist ein besonderer Zustand eines Torpors, der tage-, wochen-, oder monatelang (bis zu 7 Monate) andauern kann. Er bricht nicht spontan über die Fledermaus ein, sondern ist ein kontrollierter und jahresrhythmischer Prozess. In unseren gemäßigten Breitengraden halten Fledermäuse Winterschlaf, da im Winter das Nahrungsangebot an Insekten und anderen Gliedertieren sehr gering ist. Deshalb haben sie nur zwei Alternativen: Abwandern in wärmere Gegenden mit größeren Nahrungsangebot oder in den Winterschlaf gehen und die Fettreserven aus dem Sommer/Herbst aufbrauchen. Viele Fledermausarten überstehen den Winter in einer Dauerlethargie, wobei ihre Körpertemperatur noch unter die erreichten Werte bei der Tagesschlaflethargie fällt, manche Fledermäuse können sogar bis zum Gefrierpunkt (0°C) abkühlen.



Dann sind die Fledermäuse fast völlig starr und nur zu Reflexbewegungen fähig. Nur wenn genügend Energievorräte vorhanden sind, behält eine Fledermaus auch die Kontrolle über ihre Körpertemperaturregelung, sollten diese aufgebraucht sein, unterkühlt sie und stirbt. Damit so wenig wie möglich Energie verbraucht wird, wird die Atmung heruntergeregelt. Einzelne Atemzüge können durch minutenlange Atempausen unterbrochen sein, da der Sauerstoffverbrauch im tiefen Winterschlaf extrem niedrig ist – zwischen 0,02 – 0,07 Milliliter je Gramm und Stunde, verglichen mit 3 Milliliter je Gramm und Stunde im aktiven Zustand. Außerdem sinkt die Herzfrequenz von 400 Schläge pro Minute im aktiven Tier auf 15 – 20 Schläge pro Minute ab, was etwa einem Vierzigstel des höchsten Wertes im Wachzustand entspricht. So kommt eine ruhende Fledermaus mit ihren Reserven etwa 100 Mal länger aus als ein aktives Tier.

Als Energiereserve wird dann in erster Linie Fett verbrannt, hauptsächlich das sogenannte „braune Fettgewebe“, das wie ein Polsterkissen zwischen den Schulterblättern und an den Flanken der Fledermaus liegt. Bei guter Witterung fressen sich Fledermäuse bis in den November ihre Fettreserven an und durch eine häufigere tiefe Tageslethargie erhalten sie diese Reserven auch, da ihr Energieverbrauch am Tage niedrig ist. Vor der Winterruhe wiegen die Fledermäuse aufgrund dieses Fettpolsters 20-30% mehr, als in den Sommermonaten und mit diesem Polster müssen die Tiere dann bis zu sieben Monate auskommen. Während des Winterschlafes müssen die Tiere weder Harn noch Kot lassen.

Aufwachphase

Der Aufwachvorgang hängt wesentlich von der Umgebungstemperatur ab. Er beginnt mit einer erhöhten Herzschlagfrequenz, dann folgt die Steigerung der Atemfrequenz und dem gesteigerten Blutstrom in den vorderen Körper. In der ersten Phase des Aufwachens, der Aufheizphase, stammen 80% der Energie aus dem braunen Fettgewebe und dies wird verbrannt, bis der Körper auf 15 °C aufgewärmt ist.

Zuerst werden Herz, Leber und Kopf erwärmt, später der restliche Körper. In der zweiten Phase wird das Muskelzittern als zusätzliche Wärmequelle eingesetzt und der Körper heizt sich weiter auf. Die Aufwachdauer hängt von der Temperaturspanne ab, die durchlaufen werden muss, um den Bereich der normalen Körpertemperatur zu erreichen. Die Aufwachphase ist abgeschlossen, wenn das Tier flugfähig ist, was zwischen 30 – 50 min dauern kann, je nach Umgebungstemperatur im Winterquartier.

Winterquartiere

Im November suchen die Fledermäuse, abhängig von der Umgebungstemperatur und dem Nahrungsangebot, ihre Winterschlafplätze auf. Haben sie diese gefunden, senken sie langsam ihre Atem- und Herzfrequenz herab und gehen in Lethargie. Der Körper kühlt nach und nach auf eine Temperatur ab, die etwa der Umgebungstemperatur entspricht. Dabei werden gezielt Quartiere gesucht, die den geringen Energieverbrauch unterstützen, also relativ konstante Temperaturen haben. Eine Art Kältewarnung schützt vor Fledermäuse vor der zu großen Auskühlung, wenn etwa größere Kälte in das Winterquartier einbricht.

Winterquartier der Fledermäuse 🦇❄️❄️

Als Folge produziert die Fledermaus dann vermehrt Wärme – Herzfrequenz und Atemfrequenz steigen leicht an, damit das Tier nicht erfriert. Diese Kältewarnung reagiert bis zum Erwachen im Frühjahr. Gehen die Fettreserven zur Neige, können Fledermäuse auch aufwachen, um im Winter auf Nahrungssuche zu fliegen – wenige Insekten, wie etwa der Frostspanner, ein Schmetterling, fliegen auch in Winternächten.

Je nach Winterquartier unterscheidet man zwischen Baum- und Felsfledermäusen. Erstere bevorzugen Baumhöhlen und Rindenspalten, letztere Höhlen, Gebäude, Keller, Bunker und Dachstühle. Da Höhlen und Gebäude konstantere Temperaturen und Bedingungen, verglichen mit Baumhöhlen bieten, sind Baumfledermäuse robuster in Bezug auf Kälte und Luftfeuchtigkeit. Typische Felsfledermäuse sind Mausohren und ihre Verwandten (Gattung Myotis), Langohren (Gattung Plecotus), die Mopsfledermaus (Barbastella barbastellus), sowie die Hufeisennasen (GattungRhinolophus). 

Die einzelnen Arten bevorzugen bestimmte Plätze in einer Höhle: Zwergfledermäuse (Pipistrellus pipistrellus) und Abendsegler (Gattung Nyctalus) überwintern an den kühlsten Stellen in der Nähe des Höhleneingangs, Langohren und Mausohren haben die breiteste Toleranz und überwintern an Stellen in der Mitte der Höhle, Bartfledermäuse und Wasserfledermäuse in der Mitte einer Höhle, während Hufeisennasen die geringste Temperaturtoleranz haben und deshalb ganz weit im Inneren einer Höhle hängen. 

Dabei suchen manche Arten, wie Zwergfledermäuse, eher Spalten und Ritzen in Felsen, die am Eingang einer Höhle liegen und nachts extrem kalt sind, sich aber tagsüber durch die Sonne etwas erwärmen. Andere Arten, wie die Langohren haben ein ganz anderes Problem, da ihre abstehenden großen Ohren im Winter einfrieren würden. Deshalb klappen sie diese nach hinten und verstecken sie unter den Flügeln. Nur der Tragus (der Ohrdeckel) ist dann noch zu sehen. Wasserfledermäuse überwintern gerne in Spalten innerhalb der Höhle oder unter Geröll am Boden, während Hufeisennasen freischwebend, in ihre Flügel eingewickelt, an der Decke hängen und somit Temperatur- und Feuchtigkeitsveränderungen direkt ausgesetzt sind. Wenn sich die Temperatur oder Luftfeuchtigkeit im Winter ändert, wandern Fledermäuse entweder weiter ins Innere der Höhle oder näher zum Eingang.

Typische Baumfledermäuse sind die Abendsegler (Gattung Nyctalus), die gerne als Winterquartier, Baumhöhlen besetzen, wo sie Cluster (Gemeinschaften aus mehreren Tieren) bilden, die sich gegenseitig wärmen. Solche Cluster können auch aus mehreren Fledermausarten bestehen. Im Frühjahr oder oft auch im Winter werden solche Baumhöhlen schnell erwärmt, wodurch die Fledermäuse früher aktiv werden und man an warmen Winterabenden Abendsegler fliegen sehen kann. Bei Baumpflegemaßnahmen im Winter in Parks oder Wäldern empfiehlt es sich, zu fällende Bäume auf mögliche Höhlen, in denen Fledermäuse überwintern könnten, zu untersuchen.


Quartiere von Fledermausarten in Höhlen (verändert nach Nagel in Siemers & Nill 2000)

Störungen der Winterquartiere durch den Menschen können sich als besonders gefährlich auswirken, weil bereits das Anleuchten mit der Taschenlampe, das Blitzlicht eines Fotoapparates oder auch der längere Aufenthalt in der Nähe der Fledermäuse als Weckreiz für ein Tier wirken kann. Die Fledermäuse erwachen und verbrauchen dabei wertvolle Energiereserven, die ihnen dann im Frühjahr für den Aufwachprozess fehlen. Deshalb sollten Fledermäuse so wenig wie möglich (oder nötig) in ihren Winterquartieren gestört werden, egal ob dies Höhlen, Dachstühle, Bunker, Keller oder Baumstämme sind.

Quellen

Altringham 2011: Bats. From Evolution to Conservation – 2011. Oxford University Press, Oxford

Eisentraut 1957: Aus dem Leben der Fledermäuse und Flughunde. Gustav Fischer Verlag, Jena

Gebhard 1997: Fledermäuse. Birkhäuser Verlag, Basel

Neuweiler 1993: Biologie der Fledermäuse. Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Richarz & Limbrunner 2003: Fledermäuse. Fliegende Kobolde der Nacht. Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co., Stuttgart

Siemers & Nill 2000: Fledermäuse. Das Praxisbuch. BLV-Verlag, München

© Text und Zeichnung  Dr. Andreas Müller, Düsseldorf

Alles andere als gruselig, sondern sehr sozial – die Vampirfledermaus

Dr. Andreas Müller, Düsseldorf

Bei vielen Menschen hält sich bis heute die Meinung, dass alle Fledermäuse Blut trinken – und das auch in Deutschland. Tatsache ist, dass die meisten Fledermäuse Insekten fressen. Andere, etwa die Flughunde, sind Fruchtfresser und wieder andere fressen Fische, kleine Säugetiere, Reptilien oder Vögel. Es gibt keinen Grund, Angst vor Fledermäusen zu haben – im Gegenteil: Fledermäuse sind faszinierende und nützliche Tiere. 

Nur drei Fledermausarten weltweit, ernähren sich von Blut – davon zwei Arten in erster Linie von Vogelblut. Nur eine Art saugt an Säugetieren – in erster Linie an Nutztieren wie Schweinen. Diese Fledermausarten kommen nicht in Deutschland vor, sondern von Mexiko über Mittelamerika bis nach Südamerika. Die Vampirfledermäusen gehören auf Grund ihrer Lebensweise und ihres Sozialverhaltens zu dem interessantesten Fledermausarten.

Geschichte der Vampirfledermäuse

Nach der Entdeckung der Neuen Welt drang die Nachricht von blutsaugenden Fledermäusen auch nach Europa. In diesen Erzählungen wurde oft Dichtung und Wahrheit vermischt. So hat auch der schwedische Naturforscher Carl von Linné (auch Linnaeus genannt) in seiner Einteilung der Tiere den asiatischen Flughund als Vespertilio vampyrusbeschrieben, also als Fledertier, das nachts Jagd auf Hühner und Menschen macht, um deren Blut zu saugen. Erst viel später wurde bekannt, dass diese Flughunde, die mit 1,5m Spannweite zu den größten Fledertieren der Welt gehören und heute den Namen Pteropus vampyrus tragen, sich von Früchten ernähren. Der Naturforscher Georges-Louis Leclerc Comte de Buffon (1707-1788), stellte 1769 fest, dass alle Berichte von blutsaugenden Fledermäusen aus Südamerika stammen, es aber keine Beschreibungen aus Asien oder Afrika und schon gar nicht aus Europa gab. Aber erst im 19. Jahrhundert setze sich Buffons Ansicht dann überall in der Wissenschaft durch. Auch die großen Blattnasen (Fam. Phyllostomatidae) wurden aufgrund ihrer Nasenanhänge seiner Zeit als Blutsauger verdächtigt. Nun gehören die Vampirfledermäuse zwar in die Familie der Blattnasen, allerdings ernähren sich diese von Insekten, Nektar oder Pollen und trinken kein Blut.

Im Jahre 1826 beschrieb Maximilian Prinz zu Wied-Neuwied (1782-1867) die erste richtige Vampirfledermausart Desmodus rufus – der rotbraune Bündelzahn. Allerdings wurde die Art Desmodus rufus schon vorher im Jahre 1810 von dem Zoologen Étienne Geoffroy Saint-Hilaire (1772-1844) als Phyllostoma rotundus, weshalb die Gattung heute Desmodus und die Art Desmodus rotundus – der Gemeine Vampir, heißt. In den Jahren 1823 und 1893 kamen dann noch zwei weitere Vampirfledermausarten dazu: Der Kammzahnvampir Diphylla ecaudata, Spix 1823 und der Weißflügelvampir Diaemus youngi, Jentink, 1893.

Systematik und Arten

Vampirfledermäuse gehören, wie schon geschrieben, zur Familie der Blattnasen (Phyllostomidae) und hier in die Unterfamilie der Vampirfledermäuse (Desmodontinae), die in der deutschsprachigen Literatur auch als Desmodinae bezeichnet wird.

Die Unterfamilie umfaßt drei Gattungen mit jeweils nur einer Art und insgesamt vier Unterarten:

1.   Diphylla ecaudata Spix, 1823 – Kammzahnvampir

a.   Diphylla ecaudata ecaudata Spix, 1823; Vorkommen: Südamerika und östliches Panama

b.   Diphylla ecaudata centralis Thomas, 1903; Vorkommen: Westliches Panama bis Texas

2.   Diaemus youngi Jentink, 1893 – Weißflügelvampir; Vorkommen: Mexiko bis Südamerika, südliches Brasilien, nördiches Argentinien

3.   Desmodus rotundus E. Geoffroy, 1810 – Gemeiner Vampir

a.   Desmodus rotundus rotundus E. Geoffroy, 1810; Vorkommen: Südamerika einschließlich Trinidad

b.   Desmodus rotundus murinus Wagner, 1840; Vorkommen: Mittelamerika bis Mexiko

Weitere Arten aus der Gattung Desmodus sind schon ausgestorben und durch Fossilien oder Zähne belegt. Im Jahre 1958 beschrieb J. Knox Jones Desmodus stocki aus der San Josecito Höhle bei Nuevo Léon in Mexiko und 1959 James Gut Desmodus magnus aus Florida, USA. Beide Arten stammten aus dem Pleistozän (2,5 Mio. bis 12.000 Jahre vor heute), ähnelten Desmodus rotundus, waren jedoch etwas größer und hatten einen etwas robusteren Körperbau. Später, 1988 kamen dann noch zwei weitere fossile Arten aus dem Pleistozän hinzu, Desmodus archaeodaptes aus Florida und Desmodus draculae aus Venezuela. Im Jahre 2005 wurde dann mit Desmodus puntajudensis noch eine fossile Art aus der Höhle Cueva de Paredones bei Havanna auf Kuba beschrieben. Diese Artbeschreibung wird jedoch kontrovers diskutiert, da andere Forscher Desmodus puntajudensis nur als eine Unterart zu Desmodus rotundus sehen und der kubanische Fund folglich Desmodus rotundus puntajudensis heißen müsste.

Körpermerkmale der drei Vampirfledermausarten

a) Diphylla ecaudata Spix, 1823

Der Kammzahnvampir ähnelt dem Gemeinen Vampir (Desmodus rotundus), hat kürzere, breitere Ohren, einen kürzeren Daumen, einen winzigen Calcar (Sporn, der die Schwanzflughaut spannt) und große Augen. Die Schwanzflughaut ist schmal und haarig. Das Fell von Diphylla ecaudata ist weich und lang, auf dem Rücken dunkelbraun und auf dem Bauch etwas heller.

Wie die beiden anderen Vampirfledermäuse lebt der Kammzahnvampir in tropischen und subtropischen Regionen. Man findet die Fledermäuse in erster Linie in Höhlen und Minen, selten in in hohlen Bäumen, wo sie in kleinen Gruppen von nur wenigen Tieren den Tag über ruhen. Wenn sie gestört werden, flüchten sie oder fliegen an andere Stellen im Quartier, aber verkriechen sich nicht in Spalten, wie es Desmodus rotundus macht. Beide Arten findet man auch oft zusammen in den Höhlen. Normalerweise bekommen die Weibchen nur ein Jungtier als Nachwuchs und anders als bei unseren heimischen Fledermäusen können die Weibchen das ganze Jahr über von Februar bis Oktober trächtig werden. Die Tragedauer beträgt 6-8 Monate.

Der Kammzahnvampir hat die spezialisierteste Nahrungsaufnahme der drei Vampirfledermausarten, da er ausschließlich von frischem Vogelblut lebt. Dabei werden die Vögel, in der Regel Haushühner, in die unteren Bereiche der Füße gebissen. 

b) Diaemus youngi, Jentink, 1893

Beim Weißflügelvampir ist der Name Programm, da er auf den Flügeln an der Spitze und dem Flügelrand cremeweiße Stellen hat. In seinem Äußeren ähnelt Diaemus youngi sehr stark dem Gemeinen Vampir, allerdings sind die Ohren etwas kürzer und abgerundet, die Augen sind größer, der Daumen ist kurz und der Calcar (Sporn) ist zu einem warzenähnlichen Auswuchs reduziert. Die Schwanzflughaut erreicht ausgestreckt in seiner Mitte etwa 2/3 der Schienbeinlänge und ist behaart. Der Rücken ist dunkel-zimtbraun behaart, der Bauch etwas fahler. Schultern und die Seiten des Kopfes sind etwas heller behaart.

Auch der Weißrandvampir bewohnt die Tropen und Subtropen Mittel- und Südamerikas und ist die seltenste der drei Vampirfledermausarten. Die Kolonien bestehen oft aus 8 bis 12 Individuen, obwohl auch schon Kolonien mit bis zu 30 Fledermäusen entdeckt wurden. Sie ruhen in erster Linie in Baumhöhlen und werden selten in Höhlen oder Minen gefunden. Diaemus youngi hat eine Tragzeit von etwa sieben Monaten, wobei in der Regel ein einzelnes Jungtier geboren wird. Der Weißrandvampir bevorzugt Vogelblut, wurde aber auch auf Säugetieren, wie Ziegen und Rindern beobachtet. Zusätzlich zu den Vorlieben für Wildvögel, wurde in Brasilien auch eine Präferenz für Haustauben, Türkentauben und Hühner beobachtet. Die Fledermaus fliegt in großer Höhe um die Beute herum und nähert sich der Beute, indem sie direkt in ihrer Umgebung landet. Eine direkte Landung auf der Beute, wie bei dem Kammzahnvampir, wurde nicht beobachtet. Nach der Landung wählt der Weißrandvampir eine Stelle zum Zubeißen, ritzt die Haut mit den Zähnen und leckt das Blut mit der Zunge. 

Wie bei Diphylla ecaudata hängen die Bissstellen von der Art der Beute ab. Bei Haushühnern beispielsweise beißen die Fledermäuse bevorzugt in Zehen, Fußwurzeln, Kämme, das Kinn und den Halsansatz. Wird das Tier bei der Blutaufnahme gestört, versteckt es sich unter den Flügeln des Vogels oder im Gefieder des Hinterleibs. Die Blutaufnahme dauert zwischen 15 und 30 Minuten. Es werden durchschnittlich 33 ml Blut aufgenommen.

c) Desmodus rotundus E. Geoffroy, 1810 – Gemeiner Vampir

Der Gemeine Vampir hat kleine abgerundete Ohren, einen sehr langen Daumen, eine kurze Schnauze und eine kürzere Schwanzflughaut, als der Weißrandvampir. Der Sporn ist wie bei Diaemus youngi auch zu einem kleinen Auswuchs reduziert. Das Fell ist kurz und dicht, der Rücken dunkler als die Bauchseite. Es treten zwei Farbphasen auf, am häufigsten findet man Tiere mit bräunlichgrauem Rücken und hellgrauem Bauch, seltener sind rötlichbraune bis leuchtend gelbbraune Individuen.

Desmodus rotundus ist die bei weitem häufigste Vampirfledermaus und sie ist von Mexiko bis nach Uruguay, Argentinen und Brasilien und auch auf Trinidad verbreitet.

Die Tragzeit beträgt 7 Monate – in der Regel wird jeweils ein Jungtier geboren. Während der ersten 20 bis 30 Tage hängt das Jungtier an den Zitzen der Mutter und wird bis zu 60 Tage von dieser umhergetragen. Die Umstellung der Nahrung von Milch auf Blut geht relativ langsam. Dabei frisst das Jungtier auch Kot, der schon Bakterien für die Umwandlung der Blutnahrung enthält und der so die Nahrungsumstellung erleichtert. Nach 4 Monaten begleiten die Jungfledermäuse ihre Mutter zu den Beutetieren und erlernen so die Aufnahme von Blut.

Die Lebensweise ist beim Gemeinen Vampir am besten von allen der drei Vampirfledermäuse untersucht. Ihre vierfüßigen Fortbewegungsfähigkeiten am Boden sind einzigartig unter den Fledermäusen. So kann Desmodus rotundus, anders als die beiden anderen Arten auch Sprünge am Boden machen, um so schnell an sein Opfer zu gelangen. Dabei fungieren die drei Polster unter dem langen Daumen als Sohle. Durch Echoortung wird die Beute im Dunkeln angepeilt, aber auch der Geruchsinn und Wärmesensoren an der Nase spielen eine große Rolle. Als Beute für die Blutaufnahme dienen verschiedenste Säugetiere, wie Ziegen, Rinder, Schweine, Schafe und Pferde, aber auch Geflügel und viele Wildtiere. Bei größeren Säugern, wie Schweinen, Pferden oder Rindern beißen die Fledermäuse gerne in Schultern, Nacken, Ohren oder in die Schnauzenregion. Bei Vögeln werden die Beine bevorzugt.

Nachdem die Bissstelle am Opfer ausgesucht ist, werden mit den Zähnen die Haare entfernt und die Haut angeritzt. Wenn der Blutfluss nicht stark genug ist, wird auch die unter der Haut liegende Muskelschicht angebissen. Mit der Zungenspitze wird die Wunde vertieft und das Blut aufgeleckt. Dabei hat die Zunge eine Besonderheit in Form von Rillen, durch die das Blut in die Kehle der Fledermaus läuft. In der Regel werden etwa 5 ml Blut aufgenommen. 

Der Speichel der Vampirfledermaus enthält blutgerinnende Stoffe (Antikoagulanzien), sodass gewährleistet ist, dass immer genügend Blut aus der Wunde rinnt. Auch nach dem Ende der Nahrungsaufnahme durch die Fledermaus, rinnt das Blut noch eine Zeit lang aus der Wunde, weshalb man bei der Untersuchung von Vampirfledermäusen immer Handschuhe tragen sollte, damit man nicht gebissen wird. 

Ein im Tierreich einmaliges Merkmal der Vampirfledermäuse ist ihr Magen. Er misst bei Desmodus rotundus von der Speiseröhre bis zum sogenannten Pförtner, dem Mageneingang, nur einen Millimeter, während die hintere sogenannte Cardia-Region zu einem unglaublich langen Magen-Blinddarm erweitert ist, der fast die gesamte Bauchhöhle ausfüllt. Ungefüllt ist dieser Blindsack ca. 6 cm lang, gefüllt aber 11 bis 16 cm. 

Da Blut überwiegend aus Wasser besteht, kann eine Vampirfledermaus mehr davon aufnehmen, als sie selbst wiegt und im Durchschnitt frisst sie mehr als die Hälfte ihres eigentlichen Körpergewichtes, wobei die Blindsäcke im Magen sichtbar anschwellen. Nach dem Fressen fliegt die Vampirfledermaus ab und rastet eine Zeit lang, um das Blut einzudicken und zu verdauen. Dabei scheidet sie einen Teil der Flüssigkeit (etwa 25 Prozent) wieder aus. Manchmal urinieren die Tiere auch schon während der Blutaufnahme. 

Vampirfledermäuse können maximal 2 bis 3 Tage hungern. Die Spezialisierung auf Blut hat sich vermutlich als Folge einer ursprünglich karnivoren (fleischfressenden) Ernährung entwickelt. Noch heute springen Vampirfledermäuse Mäuse und kleine Ratten an und beißen sie. Dabei ist die Spezialisierung auf Blut so weit fortgeschritten, dass die drei Vampirfledermausarten keine andere Nahrung mehr aufnehmen können.

Das Sozialverhalten der Vampirfledermaus ist ebenfalls bemerkenswert: Sie leben in mehr oder weniger festen Gruppen, die gemeinsam auf Nahrungssuche fliegen. In ihren Quartieren in Höhlen oder Minen verwenden sie viel Zeit auf die gegenseitige Fellpflege. Aber auch Aggressionsverhalten kommt vor, wobei Vampirfledermäuse einander mit zusammengefalteten Flügeln und Trommeln auf den Untergrund drohen. Das Anheben eines zusammengefalteten Flügels ist eine Beschwichtigungsgeste des Unterlegenen, die der dominante Artgenosse, der sich von der Seite des gehobenen Flügels nähert, auch im Dunklen mit Hilfe seiner Echoortung wahrnehmen kann. Gebissen wird unter den Vampirfledermäuse niemals.

Jungtiere, deren Mütter nicht mehr oder nicht rechtzeitig zum Stillen zurückkehren, werden auch von anderen Weibchen gesäugt und oft sogar adoptiert. Beobachtungen von Desmodus rotundus haben sogar ergeben, dass hungrige erwachsene Vampire regelmäßig und erfolgreich ihre Artgenossen anbetteln und so auch ausgewürgtes Blut bekommen, sodass sie vor dem Verhungern gerettet sind. Forscher haben außerdem herausgefunden, dass Vampirfledermäuse, die in Gefangenschaft im Labor miteinander kooperiert haben und Bindungen eingegangen sind, sich auch in der Freiheit in den gleichen Quartieren aufhielten und ihre Nahrung miteinander teilten.


Zeichnungen des Kopfes von Desmodus rotundus, Diphylla ecaudata und Diaemus youngi

Schädlichkeit und Bekämpfung von Vampirfledermäusen

Der Biss von Weidetieren oder Haustieren durch Vampirfledermäuse führt bei den Opfern zu keinem großen Blutverlust, da nur wenige Milliliter Blut getrunken werden. Nur kleinere Vögel sind gefährdet, wenn mehre Vampirfledermäuse nacheinander am gleichen Vogel Blut trinken, was dann zu einem zu großen Blutverlust führen kann.

Allerdings können Vampirfledermäuse bei ihrem Biss Infektionskrankheiten übertragen, etwa

– eine als „Murrina“ bezeichnete Erkrankung der Pferde, verursacht durch Trypanosoma hippicum, einem geißeltragen Einzeller aus der Gruppe der Flagellaten,

– eine ähnliche Viehseuche, die als „Mal de caders“ bezeichnet wurde und durch den Einzeller Trypanosoma equinum verursacht wird,

– die paralytische Tollwut, auch „Derriengue“ oder „Rabies“ genannt, an der jährlich zwischen 0,5 und 2 Millionen Rinder erkranken und viele daran versterben. Auch Menschen können (extrem selten!!) Opfer dieser Krankheit werden. Ausgelöst wird sie durch Rabies-Viren, auch Tollwutviren genannt.

Die betroffenen Länder und Regionen versuchten diese Krankheiten auszurotten. Da man aber die Erreger selbst nicht bekämpfen konnte, wurde versucht, ihre Überträger, die Vampirfledermäuse, auszurotten. Dies führte dazu, dass aufgrund mangelnder Kenntnis der Unterschiede von Vampirfledermäusen zu anderen Fledermäusen, einfach alle Fledermäuse bekämpft wurden. Tausende Fledermaushöhlen wurden allein in Brasilien gesprengt und mehr als 44.000 Fledermaus-Quartiere wurden von 1964 bis 1967 in Venezuela vergiftet, was etwa zwei Millionen Fledermäusen das Leben kostete. 

Die eigentlichen Überträger, die Vampirfledermäuse litten unter dieser Bekämpfung am wenigsten, da sie nicht so große Aggregationen in ihren Quartieren bilden. In anderen Ländern, wie Trinidad, werden Vampirfledermäuse gezielt durch professionelle Vampirfänger, durch Fangnetze vor Ställen und durch mit Strychnin versetztem Sirup, der auf frische Wunden der Beutetiere gestrichen wird und so den nächsten beißenden Vampir tötet, bekämpft. Eine andere Methode besteht darin, langsam wirkendes Gift auf das Fell gefangener Vampirfledermäuse zu streichen und sie zu ihren Quartieren zurückfliegen zu lassen. Durch die ausgeprägte soziale Fellpflege der Fledermäuse werden dann alle Mitglieder in der Kolonie ausgerottet, die mit dem bestrichenen Tier in Kontakt kommen. Als Folge dieser Bekämpfungen sind heute schon große Gebiete in Süd- und Mittelamerika Vampirfledermaus-frei oder -arm, was ein großer Verlust für die Artenvielfalt und die Natur ist.

Einsatz in der Medizin

Der Speichel der Vampirfledermäuse enthält u.a. den gerinnungshemmenden Stoff Desmoteplase, auch Draculin genannt. Desmoteplase wird in klinischen Studien als experimenteller Arzneistoff zur Behandlung des ischämischen Schlaganfalls und von Herzinfarkten eingesetzt, ist aber noch nicht als Medikament zugelassen.

Und was ist mit Dracula?

Wie beschrieben, trinken nur drei von etwa weltweit 1.400 Fledermausarten Blut. Der Glaube an Vampire ist schon sehr alt und wurde schon lange vor Bram Stokers Buch Dracula von 1897 in vielen Gegenden Südosteuropas, wie im Karpatenraum und im Balkan (Rumänien, Bulgarien, Albanien und Serbien) gelebt. 

Dabei gehörte das eigentliche Blutsaugen nicht zu den überlieferten Elementen dieses Volks(aber)glaubens. Wichtige Elemente waren, dass sich in einem Grab eines verstorbenen Menschen, ein nicht verwester, noch rosiger Leichnam gefunden wurde, der dann nochmals auf unterschiedliche Weise „getötet“ und verbrannt wurde. Eine weitere Variation des Vampirglaubens ist im alten rumänischen und albanischen Volksglauben zu finden, der sogenannte „Strigoi“, was so viel wie „Hexe“ bedeutet. Strigoi sind ausschließlich menschliche und nicht dämonische Seelen, die von den Toten zurückgekehrt sind und werden in zwei Kategorien aufgeteilt, in „Strigoi morți“, Untote und „Strigoi vii“, zu Lebzeiten verfluchte Menschen, die nach ihrem Tod erst zu Strigoi werden. Zum Schutz vor ihnen, werden bei Beerdigungen Spindeln mit Garn um das Grab gesteckt und angezündet. Manchmal wird den Toten ein glühendes Eisen in das Herz gerammt und so verhindert, dass der Tote zum Strigoi wird. Diese „Vampire“ haben gar nichts mit bluttrinkenden Fledermäusen zu tun. 

Wie kamen Dracula und die Fledermäuse zusammen? 

Schuld daran ist Abraham „Bram“ Stoker, der in seinem Roman Dracula das heutige Bild eines Vampirs prägte. Sicher hatte Stoker auch von Geschichten blutsaugender Fledermäuse aus Südamerika gehört und sicher spielte es auch eine Rolle, dass Fledermäuse, genauso wie Graf Dracula, nachtaktiv sind. Die Möglichkeit, dass Bram Stoker eine Verwandlung seines Vampirs in eine Fledermaus auswählte könnte sein, dass es so dem Vampir möglich war, größere Entfernungen durch den Flug als Fledermaus zurückzulegen. 

Die Romanfigur Dracula beruht auf der historischen Person des rumänischen Fürsten Vlad III. Draculea (1431-1477), auch „Tepes“ der Pfähler genannt, weil er seine Feinde mit Vorliebe auf Holzpfähle spießen ließ. Angeblich soll er auch das heruntertropfende Blut der Opfer getrunken haben, obwohl dies sicher eine Legende ist, um seinen grausamen Ruf noch zu steigern. Dieser Fürst Vlad hat Bram Stoker dann zu seinem bluttrinkenden Vampir inspiriert, nachdem ihm dessen Geschichte durch einen ungarischen Professor erzählt wurde.

Quellen

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Greenhall Arthur M., Uwe Schmidt and Gerhard Joermann (1984): Diphylla ecaudata. Mammalian Species 227: 1-3

Greenhall Arthur M. and Willaim A. Schutt (1996): Diaemus youngi. Mammalian Species 533: 1-7

Gut H. James (1959): A Pleistocene vampire bat from Florida. Journal of Mammalogy 40(4): 534-538

Knox Jones J. (1958) Pleistocene bats from San Josecito Cave Nuevo León Mexico. University of Kansas Publications. Museum of Natural History 9(14): 389-396

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Orihuela Johanset (2011): Skull variation of the vampire bat Desmodus rotundus (Chiroptera: Phyllostomidae): Taxonomic implications for the Cuban fossil vampire bat Desmodus puntajudensis.Chiroptera Neotropical 17(1): 963-976

Ripperger Simon P., Gerald G. Carter, Niklas Duda et al. (2019): Vampire bats that cooperate in the lab maintain their social networks in the wild. Current Biology 29: 4139-4144

Schmidt Uwe (1978): Vampirfledermäuse. Die Neue Brehm Bücherei. Westarp Wissenschaften, Magdeburg

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© Text und Zeichnung  Dr. Andreas Müller, Düsseldorf

Millionen Jahre älter als der Mensch: Evolution der Fledertiere

Dr. Andreas Müller, Düsseldorf 

Anders als etwa bei Dinosauriern, existieren von Fledertieren (Flughunden und Fledermäusen) nur wenige gut erhaltene fossilisierte Skelette – hier ist vor allem die Grube Messel bei Darmstadt als Fundort zu nennen. Da Fledertiere in der Erdgeschichte schon immer klein waren (mit Ausnahme einiger Flughunde) und aufgrund ihrer Fähigkeit zum Flug dünne, leichte und röhrenartige Knochen haben, sind oft nur fossilisierte Zähne vom Skelett übriggeblieben, nach denen Paläontologen eine neue Art beschreiben können. So sind die meisten fossilen Fledertiere nur durch ihre Zähne belegt und beschrieben. Im Weiteren sollen deshalb nur die durch Skelette oder Teilskelette dokumentierten Fledertiere betrachtet werden.

Ursprung der Fledertiere

Den Ursprung der Fledertiere vermuten Forscher in kleinen Spitzmaus-ähnlichen, baumbewohnenden Säugetieren, die von Ast zu Ast sprangen und auf der Jagd nach Gliedertieren (Insekten und Spinnen) oder kleinen Wirbeltieren waren. Durch das Springen und Gleiten im Geäst entwickelte sich bei diesen Vorfahren nach und nach eine Flughaut, ähnlich wie bei heutigen Flughörnchen. Aus den Vordergliedmaßen entwickelte sich dann ein Flügel, während sich die Hintergliedmaßen verkürzten und für eine Bewegung am Boden immer ungeeigneter wurden. So bewegen sich die meisten heutigen Fledermäuse auch eher unbeholfen am Boden, während ihr Flug ganz anders aussieht, der zu den am besten entwickelten Formen in der Tierwelt gehört. Leider ist bis heute keiner der Vorfahren fossil überliefert, die ältesten Fledermausfossilien zeigen schon Flügel für einen aktiven Flug (nicht nur für einen Gleitflug).

Fossile Fledermausfunde aus Wyoming, USA

Die älteste, fossil überlieferte Fledermaus stammt aus dem unteren Eozän (vor etwa 52 Millionen Jahren), gefunden in der Green River Formation in Wyoming, USA und wurde Onychonycteris finneyi genannt. Onychonycteris besitzt einen Flügel mit sehr kurzen Fingergliedern, die Hinterbeinproportionen sind etwas primitiver und länger, als bei heute lebenden Fledermäusen und ein langer Calcar ist vorhanden, was auf eine breitere Schwanzmembran hindeutet. Der Calcar ist ein knorpeliger Sporn bei Fledermäusen, der zur Stützung der Flughaut dient. Er ist an den Hinterbeinen ausgebildet und spannt die Schwanzflughaut zwischen Hinterbein und Schwanz der Tiere. Alle diese Strukturen deuten darauf hin, dass Onychonycteris mit ihren breiten Flügeln zu einem wellenförmigen, gleitend-flatternden Flug fähig war, der jedoch primitiver war als derjenige der heutigen Fledermäuse. Die fossilen Knochen des Ohrs deuten zudem darauf hin, dass Onychonycteris keine Echoortung, wie alle heutigen Fledermäuse besessen hat. Die Proportionen der Gliedmaßen und das Vorhandensein von Krallen an allen Finger deuten darauf hin, dass Onychonycteris ein wendiger Kletterer gewesen sein könnte, der sich quadruped (vierfüßig) fortbewegte und an Ästen hängend lebte.

Außerdem wurde in der Green River Formation eine weitere, gut erhaltene Fledermausart aus dem frühen Eozän (50 Mio. J.) entdeckt, die den Namen Icaronycteryx index bekam. Icaronycteryx war schon weiterentwickelt als Onychonycteris und verwandt mit den, in der Grube Messel gefundenen ArchaeonycterisArten (siehe unten), zeigte aber noch eine zusätzliche Kralle am zweiten Finger, die bei heutigen Fledermäusen fehlt. Außerdem hatte Icaronycteryx, wie die Fledermäuse der Grube Messel schon eine Echoortung entwickelt.

Fossile Fledermausfunde aus der Grube Messel, Deutschland

Die weltweit älteste durch vollständige Skelette bekannte Fledermausgesellschaft stammt aus der Grube Messel bei Darmstadt. Sie wird auf ein Alter von 47 Millionen Jahren (frühes, mittleres Eozän) datiert. Die sieben bekannten Fledermausarten besaßen schon so unterschiedliche Flügelformen, dass man sie den Flug- und Jagdbiotopen heute existierender Fledermausgesellschaften zuordnen kann. Auch die Variationsbreite der Flügelformen und die Flächenbelastung deckte bereits quantitativ die Variationsbreite heutiger Fledermäuse ab. Diese Gesellschaft bestand aus Arten der Gattungen Archaeonycteris, Palaeochiropteryx, Hassianycteris und Tachypteron.

Die Gattung Archaeonycteris ist eng mit der in Wyoming ausgegrabenen Fledermausart Icaronycteryx index verwandt und hatte eine Flügelform mit mittlerer Flächenbelastung, was auf einen unspezialisierten Flug in mittlerer Flughöhe hindeutet. Die Flügelspannweite betrug bei Archaeonycteris trigodon 36,9 cm und bei Archaeonycteris pollex 39 cm. Wie Icaronycteryx zeigte auchArchaeonycteris neben der Daumenkralle eine weitere Kralle am Zeigefinger.

Die Arten der Gattung Palaeochiropteryxwaren breitflügelige Fledermäuse mit zierlichem Körperbau, weshalb die Flügel nur mit einem geringen Gewicht belastet waren. Sie hatten einen langsamen, wendigen Flug dicht über dem Boden oder nahe am Blattwerk der Bäume und Sträucher. Palaeochiropteryx tupaidon hatte eine Flügelspannweite von 26 cm undPalaeochiropteryx spiegeli von 29 cm.
Palaeochiropteryx tupaidon – Grube Messel

Zwei in ihren Zahnmerkmalen fortschrittliche Fledermausarten waren Hassianycteris messelenis und Hassianycteris magna. Sie besaßen eine schmale Flügelform und waren schnelle und hochfliegende Fledermäuse, die um die Baumwipfel flogen und eine, mit 39 cm bzw. 48 cm große Flügelspannweite besaßen.

Alle oben genannten Fledermausgattungen sind bereits ausgestorben, während die vierte in der Grube Messel gefundene Art Tachypteron franzeni der heute noch existierenden Famile Emballonuridae (Glattnasen-Freischwänze oder Sackflügelfledermäuse) angehört. Tachypteron hatte eine schmale Flügelform und bewegte sich schnell und hochfliegend im freien Luftraum. Ihre Flügelspannweite betrug 34,9 cm. Alle diese Fledermausarten aus dem Eozän besetzten unterschiedliche ökologische Nischen, wie das in heute zusammenlebenden Fledermausgesellschaften auch beobachtet werden kann (siehe Abbildung unten).


Fledermausgesellschaft in der Grube Messel vor 47 Millionen Jahren (verändert nach Habersetzer et al. 2008)

Fossile Fledermausfunde aus Tansania, Afrika

Die Fledermaus Tanzanycteris mannardi wurde 2003 aus Tansania in Afrika beschrieben und ist durch ein teilweise erhaltenes Skelett bekannt. Es besteht aus der vorderen Hälfte des Skeletts einschließlich Schädel, Unterkiefer, Wirbelsäule, Wirbelsäule, beiden Schultergürteln und der linken Speiche. Die Handgelenke, Flügelelemente, der größte Teil des Beckens und die hinteren Gliedmaßen fehlen. Tanzanycteris lebte vor 46 Mio. J. und besaß schon Echoortung. Am ehesten verwandt ist sie mit Hassianycteris aus der Grube Messel.


Übersicht fossile Fledermäuse

Molekulare Phylogenie der Fledertiere

Emma Teeling und Kollegen entwickelten 2005 eine Phylogenie (Stammesgeschichtliche Entwicklung) der heute existierenden Fledertiere basierend auf molekularbiologischen Methoden, die im unteren Eozän vor 52 – 50 Mio. Jahren begann zu einer Zeit, wo die Temperatur angestiegen ist, die Anzahl der Pflanzenarten und auch die der Insekten deutlich zunahm, alles günstige Bedingungen für die Entwicklung der Fledermäuse.

Die Forscher vermuten den Ursprung für drei Hauptlinien der Fledermäuse in Laurasia vor etwa 65 Mio. Jahren, möglicherweise in Nordamerika, während die vierte Hauptlinie ihren Ursprung in Gondwana, wahrscheinlich Südamerika hat. Kurz ein wenig Erdgeschichte: Im Perm (vor 298 – 252 Mio. J.) bestand die Erde aus einem Superkontinent, der Pangäa genannt wurde. Dieser zerfiel in der Trias (vor 252 – 201 Mio. J.) langsam in zwei Kontinente, Laurasia und Gondwana. Laurasia bestand aus den heutigen Kontinenten Asien und Nordamerika – Gondwana aus Südamerika, Afrika, Europa und Australien.

Aufgrund der phylogenetischen Untersuchungen von Teeling und Kollegen zeigte sich, dass die bisherige Unterscheidung in Mikrochiroptera (Fledermäuse) und Makrochiroptera (Flughunde) nicht korrekt war, da die Hufeisennnasen (Familie Rhinolophidae) und Großblattnasen (Fam. Megadermatidae) näher mit den Flughunden (Fam. Pteropodidae) verwandt ist als mit allen anderen Fledermäusen. Die Fledertiere wurden deshalb in die Yinpterochiroptera (Flughunde und Hufeisennasenartige) und in die Yangochiroptera (Fledermäuse) eingeteilt. Die ausgestorbenen Gattungen und Familien der Fledermäuse wurden in diesen Stammbaum eingegliedert.

Hypothesen zur Evolution der Fledertiere

Da ein Vorfahr der Fledertiere fossil nicht bekannt ist, haben sich in der Fledermausforschung drei Hypothesen entwickelt: Die „Echoortung zuerst“, die „Flug zuerst“ und die „Tandem Hypothese“ (Flug und Echoortung entwickelten sich zusammen). Im Jahr 2020 ist noch eine vierte Hypothese hinzugekommen, die Hypothese der interdigitalen Flughäute (Flughäute zwischen den Vordergliedern).

Die „Echoortung zuerst“ Hypothese besagt, dass nachtaktive Fledermausvorfahren eine Greiftechnik zur Jagd von fliegenden Insekten verwendeten. Diese Technik beinhaltet das Ausstrecken der bereits verlängerten Vordergliedmaßen von einem Ast aus und ihr lag wahrscheinlich ein komplexes sensorisches System zugrunde zur Vorhersage von Beutebewegungen. Daraus entwickelte sich der Ultraschall, der erst zur Kommunikation untereinander verwendet wurde und sich dann in eine primitive Echoortung änderte, um so den Beutefang zu unterstützen. 

Mit der Zeit entwickelte sich diese Echoortung immer mehr, die Vorderbeine verlängerten sich und eine Membran entstand zwischen den Gliedern, eine Art „Netz“ zum Beutefang. Später, durch Sprünge von Ast zu Ast, entwickelte sich erst der Gleitflug und dann der aktive Flug. Ein Punkt, der für die „Echoortung zuerst“ Hypothese spricht, ist die Tatsache, dass einige andere Säugetiere (vor allem die Spitzmäuse der Gattungen Sorex und Blarina) auch ohne Flugfähigkeit eine Echoortung entwickelt haben.

Die „Flug zuerst“ Hypothese besagt, dass die Vorfahren der Fledermäuse den Gleitflug entwickelt haben, während sie zwischen den Bäumen sprangen und dann der Gleitflug durch den aktiven Schlagflug ersetzt wurde, da dieser eine bessere Kontrolle und Manövrierfähigkeit ermöglichte. Die Echoortung war keine Voraussetzung für einen Flug und entwickelte sich erst mit dem Nachtleben der Fledermäuse. Da eine Echoortung zudem im Stand oder Laufen energetisch sehr aufwendig ist, aber im Flug weniger Energie hierfür verbraucht wird, muss die Flugfähigkeit vor der Evolution der Echoortung vorhanden gewesen sein. Der Fund der primitiven Fledermaus Onychonycteris, die schon aktiv fliegen konnte, aber noch keine Echoortung besaß, stützt die „Flug zuerst“ Hypothese.

Die Tandem Hypothese ist eine Konsequenz aus den ungeklärten Hypothesen „Echoortung zuerst“ und „Flug zuerst“. Diese Hypothese besagt, dass sich ein Echolokationssystem im Tandem mit dem Schlagflug entwickelt hat, so dass die Länge der Sprünge und damit der Beginn des ersten Gleitfluges zwischen den Ästen mit zunehmender Entwicklung der Echoortung zugenommen hat. Dies wird unterstützt durch die energetische Kopplung des aktiven Fluges an die Kehlkopfechoortung.

Die Hypothese der „interdigitalen Flughäute“ besagt, dass die Vorfahren der Fledermäuse 

(Flug-)häute zwischen den Gliedmaßen vor der aktiven Flugfähigkeit entwickelten, dass sich der aktive Flug innerhalb der Fledertiere mehrfach unabhängig entwickelt haben könnte und dass die Ähnlichkeit der Flügelform in den verschiedenen Linien der Fledertiere durch Konvergenz (Ähnlichkeit, bedingt durch die gleiche Funktion) von einem gemeinsamen Vorfahren mit interdigitalen Flughäuten entstanden ist. Diese Hypothese ist eine Synthese aus dem aktuellen Verständnis des Fluges, der Evolution und der Phylogenie der Fledertiere.

Welche der Hypothesen letztendlich zutrifft oder ob alle Hypothesen falsch liegen, müssen zukünftige Fossilfunde zeigen.

Quellen

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Gunell und Simmons 2005: Fossil evidence and the origin of bats. Journal of Mammalian Evolution 12: 209-246

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Teeling et al. 2005: A molecular phylogeny for bats illuminates biogeography and the fossil record. Science 307: 580-584

© Text, Foto und Zeichnungen Dr. Andreas Müller, Düsseldorf

Die Echoortung der Fledermäuse

Dr. Andreas Müller, Düsseldorf 

Fledermäuse sind in der Lage, sich in völliger Dunkelheit mittels Echoortung zu orientieren.  Manche Forscher, wie Gerhard Neuweiler sprechen lieber von einer „Echoabbildung“, da Fledermäuse nicht nur ihre Umgebung oder ihre Beute orten, sondern sich mithilfe des Ultraschalls sich auch ein genaues Bild machen können. Da der Begriff Echoortung (im englischen echolocation) in der Literatur aber gebräuchlicher ist, soll dieser hier verwendet werden. Dass sich Fledermäuse mit Hilfe des Ultraschalls orientieren, ist noch nicht so lange bekannt. Erst 1938 konnte dieser Zusammenhang sicht- bzw. hörbar gemacht werden.

Geschichte der Echoortung

Im 18. Jahrhundert führte der italienische Bischof und Universalwissenschaftler Lazzaro Spallazani (1729-1799) einen Versuch mit Eulen und Fledermäusen durch. Er holte sich beide Tierarten in sein Studierzimmer und stellte fest, dass sich Eulen weigerten durch den Raum zu fliegen, wenn er alle Kerzen gelöscht hatte. Anders verhielt sich dies mit den Fledermäusen, diese flogen zielsicher durch das Zimmer und berührten auch keinen, der von Spallazani an die Decke gehängten Drähte, an denen kleine Glöckchen befestigt waren. Dann erweiterte er den Versuch, mit nicht nur aus ethischer Sicht, sondern auch mit den heutigen Tierschutzgesetzen unvereinbarer Weise, indem er die Fledermäuse mit glühenden Stricknadeln blendete. 

Trotz ihrer Blindheit berührten die Fledermäuse auch in völliger Dunkelheit keinen der Drähte. Erst als Spallazani in die Ohren der Fledermäuse kleine Messingröhrchen klebte und diese mit Wachs verstopfte, flogen die Fledermäuse gegen die Drähte mit den Glöckchen. Wurden die kleinen Messingröhrchen in den Ohren wieder geöffnet, flogen die Fledermäuse problemlos durch den Raum. Da die Fledermäuse allerdings für Spallaziani stumm und lautlos durch die Dunkelheit flogen, blieb für ihn das Geheimnis des Ultraschalls verschlossen. Er postulierte eine Art sechsten Sinn, den die Fledermäuse besitzen sollen. Ein Zeitgenosse Spallazanis, der berühmte Naturforscher Georges Baron de Cuvier (1769-1832) zog aus diesen Experimenten den Schluss, dass es wohl der äußerst feine Tastsinn der Fledermäuse ist, der ihre Orientierung im Dunkeln ermöglicht. Er stellte die These auf, dass Fledermäuse mit ihren Flügeln Luftstauungen wahrnehmen, die bei der Annäherung an ein Objekt entstehen. Das war lange Zeit der Stand der Wissenschaft in Bezug auf die Orientierung der Fledermäuse.

Erst 150 Jahre nach Spallazanis Versuchen endeckten Wissenschaftler mit Hilfe moderner Technik, dass Akustik des Rätsels Lösung ist. Diese Entdeckung gelang zwei Wissenschaftlern unabhängig voneinander, dem amerikanischen Zoologen Donald Redfield Griffin (1915-2003) und dem niederländischen Zoologen Sven Dijkgraaf (1908-1995). Griffin konnte zusammen mit dem Physiker George Washington Pierce (1872-1956) mit einem Hochfrequenzdetektor nachweisen, dass die scheinbar lautlosen Fledermäuse intensive Lautäußerungen im Ultraschallbereich produzierten und er konnte diese auch hörbar machen, was beide 1938 im Journal of Mammalogy publizierten. Etwa zeitgleich stellte Dijgraaf, der ein außergewöhnliches Gehör hatte und so die niedrig-frequenten Laute der Fledermäuse hören konnte fest, dass Fledermäuse Laute zur Orientierung ausstoßen. Hierfür verpasste er Fledermäusen Maulklappen, die sich öffnen und schließen ließen. Bei offener Klappe konnten sie problemlos durch den Raum fliegen, aber bei geschlossener Klappe kamen sie ins Schlingern. Dijkgraaf nannte dieses Konzept Echolokalisation und publizierte dies 1943.

Die Erforschung der Echoortung von Fledermäusen in Deutschland wurde u.a. durch den Zoologen Gerhard Neuweiler (1935-2008), sowie eine Forschungsgruppe der Abteilung Biologie II an der Ludwig-Maximilian-Universität München weitergeführt.

Ultraschall

Als Ultraschall bezeichnet man den Schall mit Frequenzen oberhalb des Hörfrequenzbereichs des Menschen. Er umfasst Frequenzen ab 20 kHz bis 10 GHz; Schall oberhalb dieser Grenze wird als Hyperschall bezeichnet. Der Schall mit Frequenzen unterhalb der Hörgrenze des Menschen, d. h. <16 Hz, wird Infraschall genannt. Der Hörbereich des Menschen liegt also zwischen 16 bis 20 Hz und 16 bis 20 kHz, wobei Kinder ein deutlich besseres Gehör im höheren Frequenzbereich haben und so die tieferen Töne der Fledermäuse hören können.

Das Prinzip Echoortung

Das Echo-Abbildungssystem der Fledermäuse besteht aus einem Sender, dem Kehlkopf, der die Laute erzeugt und einem Empfänger, den Ohren und ist ein aktives Orientierungssystem, da die Laute vom Tier selbst erzeugt werden. Allerdings hat diese Art der Orientierung auch mehrere Nachteile. Die akustische Abbildung kostet Energie, die die Fledermaus in Form von Nahrung wieder für sich gewinnen muss. Ein weiterer Nachteil ist, dass anders als bei der optischen Wahrnehmung, bei der die Umgebung ständig abgebildet wird, bei der akustischen Abbildung diese nur stroboskopisch abgebildet wird, wenn das Tier einen Laut aussendet. Dies kann man sich vorstellen, wie wenn früher in Diskotheken das Licht schnell flackerte, wodurch eine Art Zeitlupeneffekt entsteht. Der dritte Nachteil ist das kleine Schallfeld, verglichen mit dem großen Gesichtsfeld eines Säugetiers. Diese Schallkeule, die von der Fledermaus ausgesendet wird ist eingeengt und auf die Flugrichtung ausgerichtet, d.h. Alles, was außerhalb dieses Schallfeldes liegt, wird nicht erfasst. Nur wenn Fledermäuse ihre Umgebung mit ständigen Ortungslauten abtasten, entsteht ein weiträumiges Echobild der Umgebung. Der vierte Nachteil ist die begrenzte Reichweite der Echoabbildung, meist zwischen 20 und 60 Metern, wobei tiefere Frequenzen eine höhere Reichweite haben. Ein letzter Nachteil ist die limitierte Auflösung, wobei hohe Frequenzen eine bessere Strukturauflösung erzielen als niedrige. Die Fledermaus muss also einen Kompromiss finden zwischen großer Reichweite bei tieferer und einer besseren Auflösung bei höheren Ortungsfrequenzen.

Evolution der Echoortung

Unter den Landsäugetieren haben nur Fledermäuse ein Echoortungssystem entwickelt. Die meisten Kleinsäuger, wie z.B. Spitzmäuse, können zwar Ultraschall gut hören, aber sich nicht mit dessen Hilfe orientieren.

Arten der Unterordnung Yangochiroptera (Fledermäuse im eigentlichen Sinne) und die Hufeisennasen aus der Unterordnung Yinpterochiroptera (Flughunde und Hufeisennasen) besitzen in erster Linie Echoortung. Bei fast allen Flughunden fehlt sie, nur die Gattung Rousettus, zu der der einzige in Europa auf Zypern vorkommende Flughund, der Nilflughund (Rousettus aegyptiacus) zählt, der Höhlen bewohnt und sich mit Hilfe der Echoortung in diesen orientieren kann. Da Flughunde in erste Linie dämmerungs- oder nachtaktiv sind, sich von Früchten bzw. Samen ernähren und große Augen besitzen, reicht bei ihnen das Restlicht in der Dämmerung und in der Nacht zur Orientierung und zur Nahrungsfindung aus. Zusätzlich können sich Flughunde durch Schnalz- oder Klicklaute mit der Zunge orientieren.

Da Echoortung in beiden Unterordnungen der Fledertiere vorkommt, wird in einer aktuellen Hypothese diskutiert, ob sie sich zweimal unabhängig entwickelt hat. Außerdem existieren weitere ältere Hypothesen darüber, was sich zuerst entwickelt hat, die Echoortung, der Flug oder beides zusammen (Tandem-Hypothese).

Zur Entstehung der Echoortung, gibt es zwei Hypothesen: Entweder sie hat sich aus der Notwendigkeit entwickelt, sich in Höhlen zu orientieren, da höhlenbewohnende Fledermäuse und Flughunde diese besitzen oder die Echoortung entstand aus der Notwendigkeit Insekten beim nächtlichen Flug als Beute zu erkennen, da das schwache Restlicht in der Nacht nicht mehr ausgereicht hat. Der Selektionsdruck, der von der Insektenjagd ausging, dürfte dabei stärker gewesen sein als der durch die Besiedlung von Höhlen.

Ortungslaute, ihre Erzeugung und ihr Empfang

Die Ortungslaute der Fledermäuse werden im Kehlkopf erzeugt, sind im Unterschied zu Kommunikationslauten, wie z. B. den Soziallauten der Fledermäuse, kurz und dauern nur wenige Millisekunden (ms) an. Man unterscheidet drei Signalelemente:

a) Frequenzmodulierte Abwärtslaute (FM ab): Dies sind die häufigsten Ortungssignale, die bei einer hohen Frequenz beginnen und kontinuierlich zu niedrigeren Frequenzen abfallen.

b) Reine Töne (CF=constant frequency): Dies sind Töne bei einer konstanten Frequenz, die vor allem als Suchsignale ausgestoßen werden und besonders bei Hufeisennasen (Rhinolophus) häufig sind.

c) Frequenzmodulierte Aufwärtslaute (FM auf): Dem konstanten Frequenzteil folgt ein frequenzmodulierets Element voraus, der FM Aufwärtslaut, was ebenfalls häufig bei Hufeisennasen auftritt.

Eine punktförmige Schallkeule strahlt Schallenergie in Form einer Kugelwelle ab. Dabei wirkt das geöffnete Maul der Fledermaus, bzw. bei Hufeisennasen die Nasenlöcher als Schalltrichter, der die Hauptenergie des Lautes in Flugrichtung bündelt, wodurch die Schallkeule entsteht. Die beiden Ohren empfangen die Ortungslaute und dienen als Schallrezeptoren. Dabei sind die, bei Fledermäusen dreh- und neigbaren Ohrmuscheln bewegliche Richtantennen und der Schall wird durch den Gehörgang weiter geleitet bis zum Trommelfell. Da Fledermausarten unterschiedliche Ohrmuscheln haben, haben diese auch verschiedene akustische Eigenschaften. Die Ohrmuscheln der meisten Echo-Orter sind nicht auffallend groß, da sie auf Ultraschall mit kurzen Wellenlängen abgestimmt sind. Andere Arten, die ihre Beute vom Boden ablesen, wie beispielsweise Langohren (Plecotus) haben dagegen große Ohrmuscheln, die auch auf das Hören des Raschelns der Beute im Laub auf dem Boden spezialisiert sind. Der Tragus (Ohrdeckel), eine steife Hautfalte in der Ohrmuschelöffnung, spielt wahrscheinlich bei der vertikalen Schalllokalisation eine Rolle. Bei den Hufeisennasen fehlt dieser Tragus, sie haben einen sogenannten Antitragus, eine horizontale Hautfalte am Boden der Ohrmuschelöffnung. Das Mittelohr der Fledermäuse besteht aus der Paukenhöhle, die vom Trommelfell begrenzt wird. Drei Gehörknöchelchen, der Hammer, der Amboss und der Steigbügel durchqueren die Paukenhöhle. Die eintretende Schallenergie versetzt das Trommelfell in Schwingungen, die über die Gehörknöchelchen auf das Innenohr übertragen werden. 

Das Mittelohr der Fledermäuse ist besonders an die Übertragung hoher Frequenzen, wie sie bei Ultraschallauten entstehen angepasst. Das Innenohr von Fledermäusen löst die Schallfrequenzen auf Zehntelprozent genau auf. Die drei Flüssigkeitsräume des Innenohrs sind in eine knöcherne Kapsel eingebettet und wie eine Schnecke spiralig gewunden, deshalb auch ihr Name „Cochlea“. Haarzellreihen übertragen die Schallenergie auf kurze, bewegliche Härchen der Sinneszellen, die sog. Stereozilien. Jede Haarzelle trägt ein Büschel Stereozilien, von denen Nervenzellen dann die Hörinformation übernehmen.

Ortungsleistungen

Die Echoortung wird in erster Linie zur Detektion und Lokalisation genutzt. Sie dient nicht, wie beispielsweise bei Vögeln, der Kommunikation der Tiere untereinander. Eine Fledermaus sendet im Suchflug nach Beute etwa 4 – 12 Ortungslaute pro Sekunde aus, die oft mehr als 10 Millisekunden lang sind. Da die Pausen zwischen den Lauten jedoch wesentlich länger sind als die Laute, bleiben etwa 4/5 der Flugzeit ohne Echoinformation. Entdeckt die Fledermaus ihr Ziel, werden Laute in rascher Folge ausgestoßen und mit immer kleineren Pausen. Bei der Verfolgung der Beute steigen die Wiederholungsraten auf 40 – 50 Laute pro Sekunde. Kurz bevor die Beute gepackt wird, sendet die Fledermaus eine Folge von 10 – 25 kurzen Lauten mit minimalen Pausen aus, den sogenannten „final buzz“. Der ganze Vorgang von Detektion der Beute bis zum „final Buzz“ dauert meist weniger als eine Sekunde.

Die Detektion einer Beute im freien Luftraum ist für eine Fledermaus kein Problem, da das von ihr aufgenommene Echo in der Regel ein fliegendes Insekt bedeutet. Die Beute wird lokalisiert und die Entfernung zur Beute gemessen.

Vertikale und horizontale Echorichtungen können Fledermäuse auf 2 – 5° genau erkennen, allerdings ist der Hörraum, aus dem das Echo zu erwarten ist, durch die Schallkeule eingeschränkt. Die Ohrmuscheln tragen zur Richtungsfindung des Echos bei, da sie beweglich sind und Schallwellen abschirmen, die auf ihre Rückseite treffen. Für ein bodenbewohnendes Tier ist die Bestimmung der vertikalen Schallrichtung nicht so entscheidend, wie für fliegende Tiere, die ihre Beute in der Luft verfolgen. Hierbei hilft der Tragus der Fledermäuse, die häufig breitbandige Ortungssignale aussenden. Für die Bestimmung der horizontalen Schallrichtung einer Quelle eignen sich die Reizdifferenz zwischen linkem und rechtem Ohr der Fledermaus, d.h. mit welchem Ohr die Beute zuerst wahrgenommen wird.

Die kleinste, für Fledermäuse akustisch wahrnehmbare Objektgröße liegt knapp unter 1 mm. In Versuchen wurden 2 bis 4 mm große Fruchtfliegen aus einer Entfernung von etwa 35 cm von Fledermäusen entdeckt und gefangen. Verschiedene Fledermausarten konnten in Versuchen Drahthindernissen bis zu einem Durchmesser von 0,06 bis 0,10 mm ausweichen. In anderen Versuchen wurde gezeigt, dass Fledermäuse Platten mit 8 mm tiefen Bohrlöchern von Platten mit 7 mm tiefen Bohrlöchern unterscheiden konnten, was darauf hindeutet, dass Fledermäuse auch die Oberflächenstruktur ihrer Umgebung wahrnehmen können. Dies zeigten auch Untersuchungen von Wissenschaftlern der Ludwig-Maximilian-Universität München, die belegen konnten, dass Echos Informationen enthalten, die es den Tieren ermöglichen, verschieden strukturierte Oberflächen voneinander zu unterscheiden. So sticht zum Beispiel für Fledermäuse eine zappelnde Beute selbst auf einer bewegten Wasseroberfläche akustisch heraus. 

Dabei wirkt die glatte Wasseroberfläche akustisch wie ein Spiegel und der Schall wird im gleichen Winkel, in dem er auf die Wasseroberfläche trifft, auch wieder reflektiert – hauptsächlich von der Fledermaus weg, da sie schräg nach unten-vorne auf das Wasser ruft. Ein treibendes Insekt reflektiert den Schall jedoch direkt zur Fledermaus zurück, als ein einzelnes Beuteecho inmitten von Stille. Ist die Wasseroberfläche aber nicht glatt, sondern hat viele Wellen, können Fledermäuse ihre Beute am besten orten, wenn möglichst viele Wellen auf enger Fläche sind, die Oberfläche also „geriffelt“ ist. Die Forscher deuteten das Ergebnis so, dass sanfte Hintergrundwellen, wie sie durch Wind entstehen, für die Fledermäuse praktisch unsichtbar sind, während eine in den Wellen zappelnde Beute viele Wellen erzeugt und so gut von der Fledermaus detektiert werden kann.

Biotopsanpassungen

Fledermäuse jagen bevorzugt in Arealen. An diese Jagdbiotope haben sie nicht nur ihren Flugstil und ihre Flügelform angepasst, sondern auch ihr Ortungssystem. Allerdings beschränken Fledermäuse sich nicht nur auf das bevorzugte Jagdgebiet. sie weichen auch auf andere Biotope aus, beispielsweise in Jahreszeiten mit reduziertem Beuteangebot oder wenn in Schlechtwetterperioden die Insekten in tieferen Luftschichten fliegen.

Die Echoortung eignet sich besonders für die Insektenjagd im freien Luftraum. Die Jagd im Geäst der Bäume verspricht zwar ein reicheres Insektenangebot, allerdings kann das Echo der kleinen Beute durch die Echos der größeren Vegetation im Hintergrund überlagert werden.

Alle Fledermäuse, die im freien Luftraum jagen, benutzen bei der Beutesuche lange, niedrigfrequente Ortungslaute. Haben sie eine Beute gefunden, wird der Ortungslaut in ein kurzes (1 bis 5 ms), frequenzmoduliertes, breitbandiges Signal umgewandelt, das gut zur Zielentfernungsmessung geeignet ist. Dabei korreliert die größere Reichweite der niederfrequenten Ortungslaute mit einer schlechteren Detektion keiner Insekten.

Fledermausarten, die am Blattwerk oder über den Boden jagen, haben mit dem „Echorauschen“ durch den Hintergrund zu kämpfen. Sie müssen das Echo eines Insektes aus der Vielzahl der Echos, die der Hintergrund zurückwirft, herausfiltern. Das Große Mausohr (Myotis myotis) fängt im Wald bodenbewohnende Insekten – Laufkäfer, aber auch Spinnen und Tausendfüßler. Dabei sendet es gewöhnliche, frequenzmodulierte Signale aus und fängt das Insekt mit dem, für die Echoabbildung im Flug typischen „final Buzz“. Wird die Beute jedoch im Abstand von nur wenigen Zentimetern an einer Wand präsentiert, verstummt das Mausohr und läuft die Wand ab, um die Beute zu ertasten.

Hufeisennasen, die ihre Beute bevorzugt im Flug zwischen dichter Vegetation jagen, fliegen die ersten Abendstunden um Büsche und Bäume. Später betätigen sich als Lauer-Jäger, die im Geäst der Bäume sitzen, sich um die eigene Achse drehen und dabei die Umgebung per Ultraschall absuchen. Trifft der Ortungslaut auf ein fliegendes Insekt, holt sich die Hufeisennase dieses und kehrt dann zu ihrem Ast zurück. Der Ortungslaut besteht aus einem lauten, 40 bis 60 ms langen Reinton mit hoher Frequenz von 72 bis 85 kHz und mit diesem erkennen Hufeisennasen besonders flügelschlagende Insekten. 

Dabei müsste diese Detektion flügelschlagender Insekten zusammenbrechen, sobald die Fledermaus selber losfliegt, da entsprechend der eigenen Fluggeschwindigkeit, das gesamte Tonecho eine Frequenzerhöhung durch einen zweifachen Dopplereffekt, der jeweils am fliegenden Sender (Den Nasenlöchern der Hufeisennase) und am fliegenden Empfänger (den Ohren) entsteht.

Der Dopplereffekt besagt, dass wenn sich eine Geräuschquelle auf einen Hörer zu bewegt, werden pro Zeiteinheit mehr Schallwellen empfangen, als ausgesandt wurden, d.h. die Frequenz des Geräusches wird höher. Entfernt sich die Geräuschquelle, so tritt der gegenteilige Effekt ein, die Frequenzen werden tiefer. Dies kann man am Beispiel der Sirene eines Krankenwagens verdeutlichen, kommt der Wagen auf einen zu, ist der Ton höher, fährt er von einem weg, wird der Ton der Sirene tiefer. 

Die Fledermäuse begegnen diesem Problem mit einer Dopplereffekt-Kompensation – d.h. sobald das zuletzt gehörte Geräusch eine bestimmte Sollfrequenz übersteigt, werden die als nächstes ausgesendeten Ortungslaute in ihrer Frequenz um einen entsprechenden Betrag abgesenkt, wodurch die durch die eigene Fluggeschwindigkeit induzierten Frequenzverschiebungen des gesamten Echosignals kompensiert werden.


Heimische Fledermäuse in verschiedenen Biotopen und Diagramme der charakteristischen Ortungsrufe – die Silhouetten sind nicht im gleichen Maßstab gezeichnet (verändert nach Schnitzler und Kalko 2001)

Aber genug der Physik, kommen wir zur passiven Ortung. Fledermäuse, die ihre Beute von einem Untergrund fangen, können sich nicht auf die Detektion eines Flügelschlages verlassen. Sie hören ihre Beute daher nur, wenn diese Geräusche, z.B. durch Rascheln im Laub macht.

Gegenmaßnahmen der Beute

Viele Nachtschmetterlinge haben wirksame Abwehrmechanismen zum Schutz vor der Echoortung durch Fledermäuse entwickelt. Sie können die Ultraschalllaute hören und reagieren mit Ausweichmanövern im Zick-Zack-Kurs oder legen ihre Flügel an und lassen sich fallen. Auf Blättern sitzende Schmetterlinge verharren starr, sobald ein Ortungssignal sie erfasst. Einige Nachtfalter aus der Familie der Noctuiden senden ihrerseits Ultraschallsignale, in Form von Klicklauten aus und verwirren so Fledermäuse bei der Jagd, die diese Laute für Warnsignal einer nicht schmackhaften Beute halten. Zerstört man den Klickmechanismus dieser Schmetterlinge, werden sie wieder von den Fledermäusen gejagt und verspeist.

Fledermaus-Detektoren

Da Fledermäuse im Ultraschallbereich rufen, den wir Menschen nicht hören können, müssen wir auf Hilfsmittel zurückgreifen, wie die Bat-Detektoren. Diese Geräte gibt es schon als einfache Version zum Zusammenstecken für etwa 25 € oder auch als elektronischen Bausatz für Bastler für 35 bis 40 €. Andere, auch für Laien gut zu verwendende Geräte, die die Frequenz und die Ausschlaghöhe der Frequenz im Display zeigen, kosten bis zu 160 bis 180 €. Die teuren Geräte, bei denen man die Sonogramme im Display sehen und die man auf SD-Karten speichern kann oder die auf ein Mobiltelefon gesteckt werden können, liegen bei 230 bis 300 €. Im Internet gibt es auch einige gute, allgemein verständliche Publikationen für den Umgang mit Bat-Detektoren zum Nachweis von Fledermäusen, etwa Weid 1988, Zingg 1990, Pfalzer 2007 oder Neuweiler 1990 (siehe unten).

Quellen

Baier A. Leonie, Lutz Wiegrebe and Holger R. Goerlitz (2019): Echo-Imaging Exploits an Environmental High-Pass Filter to Access Spatial Information with a Non-Spatial Sensor. iScience 14: 335–344

Dijkgraaf Sven (1943): Over een merkwaardige functie van den gehoorzin bij vleermuizen. Verslagen Nederlandsche Akademie van Wetenschappen Afdeeling Naturkunde 52: 622–27.

Dijkgraaf Sven (1946): Die Sinneswelt der Fledermäuse. Experientia 2: 438-448.

Neuweiler Gerhard (1993): Biologie der Fledermäuse. Georg Thieme Verlag, Stuttgart.

Neuweiler Gerhard (1990): Echoortende Fledermäuse. Biologie in unserer Zeit 20(3): 169-176

Pfalzer Guido (2007): Verwechslungsmöglichkeiten bei der akustischen Artbestimmung von Fledermäusen anhand ihrer Ortungs- und Sozialrufe. Nyctalus 12(1): 3-14

Pierce George W. and Donald R. Griffin (1938): Experimental determination of supersonic notes emitted by bats. Journal of Mammalogy 19(4): 454-455.

Schnitzler Hans-Ulrich and Elisabeth K. Kalko (2001): Echolocation by insect-eating bats. BioScience 51(7): 557-569

Weid Roland (1988): Bestimmungshilfe für das Erkennen europäischer Fledermäuse insbesondere anhand der Ortungsrufe. Schriftenreihen Bayerisches Landesamt für Umweltschutz 81: 63-72

Zingg Peter E. (1990): Akustische Artidentifikation von Fledermäusen (Marnrnalia: Chiroptera) in der Schweiz. Revue suisse Zool. 97(2): 263-294

© Text und Zeichnung Dr. Andreas Müller, Düsseldorf

Fledermäuse und Insekten

Dr. Andreas Müller, Düsseldorf

Insekten als Nahrung

Die Nahrung aller in Deutschland heimischen Fledermausarten besteht hauptsächlich aus Insekten, aber auch Spinnen- und anderen Gliedertieren. Dabei zeigen die verschiedenen Fledermausarten sehr unterschiedliche Fressgewohnheiten und Jagdstrategien. Manche von ihnen sammeln Käfer und Spinnen vom Waldboden auf, während andere sich auf fliegende Insekten spezialisiert haben. 

Das große Mausohr (Myotis myotis) hält beispielsweise im Flug, knapp über dem Waldboden, nach Laufkäfern, Hundertfüßern, Spinnen und Käferlarven Ausschau, während die Wasserfledermaus (Myotis daubentinii) ihre Nahrung über der Wasseroberfläche von Teichen und Seen fängt. Dabei machen Zuckmücken und Köcherfliegen den Großteil ihrer Nahrung aus. Die Zwergfledermaus (Pipistrellus pipistrellus) und die Mückenfledermaus (Pipistrellus pygmaeus),unsere beiden kleinsten heimischen Fledermäuse, fressen vor allem Mücken und kleine Fliegen, welche sie mit wendigen Bewegungen, im Schein von Straßenlaternen erbeuten. Dabei können schon mal bis zu 1.000 Mücken pro Nacht vertilgt werden.

Die Jagd im Flug kostet die Fledermäuse sehr viel Energie, weshalb jede Fledermaus täglich zwischen 20 und 50 Prozent ihres eigenen Körpergewichts fressen muss. Bei einer Wasserfledermaus entspricht das beispielsweise einer täglichen Nahrungszufuhr von etwa 3.000 Zuckmücken. Um diese Menge zu erbeuten, führt sie etwa zehn Fangbewegungen pro Minute durch, wie Forscher herausfanden. Bei der Zwergfledermaus, die etwa sechs Gramm wiegt, beträgt die Gewichtszunahme pro Nacht 1,5 Gramm an Insekten. Eine Stechmücke beispielsweise wiegt etwa 0,00225 Gramm, das würde dann 667 Stechmücken pro Nacht und in einer Saison von sieben Monaten über 140.000 Stechmücken bedeuten.

Durch die Insekten und Gliedertiere als Nahrung ist der Kot der Fledermäuse eher porös, trocken und krümelig und enthält oft noch gut zu erkennende Insektenteile, wie Flügeldecken von Käfern oder Beine und Fühler von Schmetterlingen und Fliegen. Dadurch ist der Kot gut von dem der Mäuse zu unterscheiden, deren Kot eher faserig durch die vorhandenen Pflanzenreste ist. Durch die Untersuchung von Kotproben in Gebäuden, Fledermauskästen oder Winterquartieren kann oft bis auf die Art der Fledermaus geschlossen werden, da der Kot der verschiedenen Arten eine unterschiedliche Form, Größe oder Zusammensetzung hat. Da er oft auch Haare der Fledermaus enthält, erleichtert dies die Art-Bestimmung mit Hilfe eines Mikroskops.

Nachtfalter und Fledermäuse

Nachtaktive Falter werden von Fledermäusen gejagt, die sich im Laufe der Evolution perfekt an das Erjagen dieser Schmetterlinge angepasst haben. Sie nehmen Töne von bis zu 120.000 Hertz wahr und orten ihre Beute mittels dieser Ultraschall-Echoortung (oder besser Echoabbildung). Zum Vergleich: Der Mensch hört als Kind Töne von 16 bis 20.000 Hz und als Erwachsener bis zu 12.000 Hz, weshalb Kinder oft noch die tieferen Laute der Fledermäuse hören können. Aber auch Nachtfalter nehmen die Ultraschallrufe der Fledermäuse wahr und fliegen mit schnellen Manövern aus der Flugbahn des Angreifers.

Bei der in Nordamerika beheimateten Tigermotte (Cycnia tenera) konnten Insektenforscher eine raffinierte Strategie feststellen. Eine Fledermausart, das Townsend-Langohr (Corynorhinus townsendii), attackiert den Nachtfalter, dreht oft aber im letzten Moment ab, weil die Tigermotte den Ultraschall des Angreifers wahrgenommen und im selben Moment schnelle Folgen eigener kurzer Ultraschalltöne auf den Feind abgefeuert hat. Dadurch nimmt die Fledermaus zu viele Informationen auf einmal auf, ihr Gehirn kann diese nicht schnell genug verarbeiten und sie muss abdrehen. Auch heimische Nachtfalter der Familie der Eulenfalter (Noctuidae) senden Klicklaute im Ultraschallbereich aus, sobald sie von einer Fledermaus gejagt werden. Diese Laute verwirren die jagende Fledermaus, sodass der Falter entkommen kann. Die Evolution zeigt hier ein ständiges Wechselspiel zwischen den Fledermäusen als Jägern und den Nachtfaltern als Gejagte.

Leuchtkäfer und Fledermäusen

Eine besondere Beziehung habe Forscher 2018 zwischen Fledermäusen und Leuchtkäfern entdeckt. Viele Leuchtkäfer nutzen die Lichtproduktion durch Biolumineszenz zur Partnersuche im Dunkeln. Doch ursprünglich hatte das Leuchten wahrscheinlich eine ganz andere Funktion, es sollte Fressfeinde abschrecken. Die Larven der tagaktiven Vorfahren der Leuchtkäfer signalisierten mit dem Leuchten, dass sie wegen giftiger Substanzen in ihrem Körper ungenießbar sind. Nach dem Übergang zu einer nachtaktiven Lebensweise entwickelte sich dann auch bei den erwachsenen Käfern die Fähigkeit zur Biolumineszenz – und zwar als Schutz vor Fledermäusen. Erst später erhielten die Lichtsignale eine zusätzliche Funktion für die Anlockung des Partners. Fledermäuse lassen die giftigen Leuchtkäfer auch deshalb unbehelligt, weil sie schnell lernen, das Leuchten als Warnsignal zu erkennen, was auch in Versuchen mit Großen Braunen Fledermäusen (Eptesicus fuscus) und Leuchtkäfern der Gattung Photinusbestätigt wurde. Demnach haben wir es den Fledermäusen zu verdanken, dass es überhaupt Leuchtkäfer gibt, die nachts beim Fliegen leuchten.

Fledermäuse und ihre Parasiten

Ein besonderes Verhältnis besteht zwischen Fledermäusen und ihren Parasiten – in erster Linie Insekten und Spinnentiere. Die meisten dieser Mitbewohner sind stationäre Parasiten, die dauernd (permanent) oder nur zeitweise (periodisch) ihre Wirte besiedeln. Ein Wechsel des Wirtes ist oft eingeschränkt, da die Insekten und Spinnentiere flugunfähig sind und sich deshalb nur kriechend fortbewegen können. Blutsaugende Parasiten lösen bei ihren Wirtsfledermäusen Immunreaktionen aus, die wiederum die Parasiten selbst schädigen können. Befallene Fledermäuse, die aus dem Winterschlaf erwachen, haben oft eine stark erhöhte Körpertemperatur vor dem Abflug, sodass die Parasiten aus dem Fell in die Fellspitzen wandern, da ihnen die Temperatur zu hoch geworden ist. Ein häufigerer Schlaf- und Ruheplatzwechsel, gerade im Sommer, kann die Fledermäuse vor einem erhöhten Parasitenbefall schützen. 

Die meisten Parasiten werden in Wochenstuben im Sommer gefunden, wenn die weiblichen Fledermäuse mit ihren Jungtieren in größeren Gruppen zusammen- hocken. Hier wird auch der Wirtswechsel von einer Fledermaus auf eine andere für einen Parasiten erleichtert, da die Fledermäuse eng beieinandersitzen und auch die Umgebungstemperatur hier hoch ist, was die wechselwarmen Parasiten agiler macht. Dies ist auch ein Grund, warum sich in Winterquartieren von Fledermäusen eher weniger Parasiten finden lassen, welche dann in erster Linie aus Flöhen bestehen.

Bei den Insekten sind hauptsächlich Fledermaus-Lausfliegen (Familie Nycteribiidae), Fledermausflöhe (Familie Ischnopsyllidae) und Fledermauswanzen (Familie Cimicidae) in Deutschland zu nennen. Die Wirtsfledermäuse bei denen diese Insekten schon nachgewiesen wurden sind: Großer Abendsegler (Nyctalus noctula), Breitflügelfledermaus (Eptesicus serotinmus), Mausohr (Myotis myotis), Braunes Langohr (Plecotus auritus), Fransenfledermaus (Myotis natteri), Kleine Bartfledermaus (Myotis mystacinus), Bechsteinfledermaus (Myotis bechsteini), Wasserfledermaus (Myotis daubentonii), Zweifarbfledermaus (Vespertilio murinus), Zwergfledermaus (Pipistrellus pipistrellus) und Mückenfledermaus (Pipistrellus pygmaeus).

Fledermaus-Lausfliegen sind nur wenige Millimeter große, abgeflachte, langbeinige Insekten mit einer eher spinnenartigen Gestalt, die hauptsächlich in den Sommermonaten in Fledermausquartieren auftauchen. Sie saugen das Blut ihrer Wirte und halten sich in deren Fell fest. Die Larven der Lausfliegen werden in den Quartieren der Fledermäuse in Spalten abgelegt, wo sich die Larven dann schnell verpuppen. Zum Ausschlüpfen der Lausfliege aus der Puppenhülle ist dann die Anwesenheit einer Fledermaus in unmittelbarer Nähe nötig, damit die Fliege direkt einen neuen Wirt zur Blutaufnahme hat.. Fledermaus-Lausfliegen können nur kurze Strecken laufen und sich schlecht auf dem Untergrund festkrallen.
Fledermaus-Lausfliege (Penicillidia monoceros)

Fledermausflöhe weisen in Anpassung an die Lebensweise der Fledermäuse einige körperliche Sondermerkmale auf, wie dem Fehlen von Augen und der Ausbildung von Zahnkämmen an Kopf, Brust und Hinterleib der Flöhe, die ihnen einen besseren Halt ermöglichen, wenn sich die Fledermaus in die Luft erhebt. Nur die erwachsenen Flöhe besiedeln den Wirt, während sich die Eier, Larven und Puppen am Boden entwickeln. Die meisten Floharten legen ihre Eier in die Wochenstuben der Fledermäuse, wo sich die Larven vom Substrat am Boden oder auch Blutresten ernähren. Die aus den Puppen schlüpfenden Fledermausflöhe können sehr gut, auch senkrechte Wände hochlaufen, zeigen jedoch nur ein geringes Sprungvermögen.
Fledermausfloh (Ischnopsyllus hexactenus)

Die an Fledermäusen parasitierenden Wanzen gehören zur Familie der Plattwanzen (Cimicidae), zu der auch das bekannteste und gefürchtetste Mitglied gehört, die Bettwanze (Cimex lectularius), die auch bei Fledermäusen vorkommen kann. Fledermauswanzen befinden sich selten direkt an ihrem Wirt, sondern eher in Spalten und Ritzen des Quartiers und kommen gelegentlich heraus, um an ruhenden Fledermäusen Blut zu saugen. Sie können bei einem Mangel an Blut-Wirten auch tage- bis wochenlange Hungerperioden überstehen, um sich dann wieder vollzusaugen. Fledermauswanzen sind sehr mobil und können auch senkrechte Wände hochkriechen, haben aber Probleme an der Decke hängend zu laufen.
Fledermauswanze (Cimex dissimilis)

Bei den Spinnentieren sind die Hauptparasiten der deutschen Fledermäuse Zecken (Familie Ixodidae und Argasidae), Flughautmilben (Familie Spinturnicidae) und Milben (Familie Macronyssidae). Schildzecken der Gattung Ixodes sind recht hart, haben acht Beine und halten sich entweder am Wirt oder in Spalten des Quartiers der Fledermäuse auf. Nymphen und erwachsene Zecken saugen Blut, können aber auch lange Hungerperioden aushalten, bis die nächste Fledermaus das Quartier besucht.

Flughautmilben besiedeln gerne die Arm- und Schwanzflughäute der Fledermäuse und eine Trennung von ihren Wirten überleben diese Milben nur wenige Stunden. Da sie sehr flach sind, können sie sich gut in Anzahl von mehreren Tieren an den Flughäuten festsetzen. Sie legen keine Eier, sondern gebären weit entwickelte Nymphen, die den erwachsenen Tieren schon ähneln und ebenfalls Blut saugen.

Andere Milben, wie die aus der Familie Macronyssidae sind kleine, etwa 1mm große, augenlose Spinnentiere, die manchmal in enormer Anzahl auf Fledermäusen zu finden sind. Sie sind recht agil und die Nymphen entwickeln sich in den Weibchen, wo sie schon recht weit entwickelt dann geboren werden und sich den nächsten Wirt suchen.


Milbe (Macronyssus flavus)

Quellen

Leavall Brian C., Juliette J. Rubin, Christopher J.W. McClure et al 1018: Fireflies thwart bat attack with multisensory warnings. Science Advances 4: eaat6601: 1-6

Scheffler Ingo (2008): Zur Fähigkeit von Ektoparasiten der Fledermäuse ihre Wirte aktiv aufzusuchen. Nyctalus 13(2-3): 177-186

Scheffler Ingo (2009): Ektoparasiten der Fledermäuse in Deutschland – neue Erkenntnisse zur Verbreitung, Ökologie und Bedeutung. Beiträge zur Jagd- und Wildforschung 34: 193-207

Scheffler Ingo (2010): Ektoparasiten der Fledermäuse in Winterquartieren in Brandenburg. Märkische Entomologische Nachrichten 12(1): 119-132

© Text und Zeichnungen Dr. Andreas Müller, Düsseldorf

Standorttreu und multitasking-fähig – die Hufeisennase kann gleichzeitig rufen und horchen!

 

Dr. Andreas Müller, Düsseldorf

Ihren Namen verdanken die Hufeisennasen einem auffälligen häutigen Nasenblatt, das hufeisenförmig die Oberlippe bedeckt und die Nasenlöcher umgibt. Neben den Glattnasen (Familie Vespertilionidae), zu denen die anderen 24 Fledermausarten in Deutschland gehören, gibt es bei uns zwei Arten aus der Familie Rhinolophidae – die Kleine und die Große Hufeisennase.

Systematik und Arten

Zusammen mit den Schlitznasen-Fledermäusen (Fam. Nycteridae), den Großblattnasen (Fam. Megadermatidae) und den Rundblattnasen (Fam. Hipposideridae) bilden die Hufeisennasen die Überfamilie der Rhinolophoidea, der Hufeisennasenartigen. Die rezente Familie der Hufeisennasen umfasst nur die eine Gattung Rhinolophus mit etwa 70 Arten, die zumeist in den Tropen und Subtropen leben. In Europa leben fünf Hufeisennasenarten, davon drei nur im Balkan- bzw. Mittelmeergebiet: Die Blasius-Hufeisennase (Rhinolophus blasii Peters, 1866), die Mittelmeer-Hufeisennase (Rhinolophus euryale Blasius, 1853) und die Mehely-Hufeisennase (Rhinolophus mehelii Matschie, 1901). 

Zwei Arten kommen auch in Deutschland vor:

a) Die Große Hufeisennase (Rhinolophus ferrumequinum Schreber, 1774)

Neben der Nominatform Rhinolophus ferrumequinum Schreber, 1774 gibt es noch eine weitere Unterart Rhinolophus ferrumequinum proximus K. Anderson, 1905 (Transkaukasien bis Indien).

b) Die Kleine Hufeisennase (Rhinolophus hipposeridos Borkhausen, 1797)

Neben der Nominatform Rhinolophus hipposeridos hipposeridos Borkhausen, 1797 existieren noch vier weitere Unterarten: R. hipposeridos escalerae K. Andersen, 1918 (Marokko, Algerien, Tunesien), R. hipposeridos majori K. Andersen, 1918 (Korsika), R. hipposeridos midas K. Andersen, 1918 (Georgien, Iran, Irak u.a.) und R. Hipposeridos mimimus Heuglin, 1862 (Mittelmeergebiet, Spanien bis Türkei).

Das Ursprungsgebiet der Hufeisennasen liegt in Südostasien, wo der Vorfahre im tropischen Regenwald des Paläozäns (vor ca. 66 – 56 Millionen Jahren) geflogen ist. Dies wird durch zahlreiche Fossilfunde belegt. In Europa stammen die ältesten fossilen Funde aus dem Eozän (vor ca. 56 – 33,9 Millionen Jahren).

Körpermerkmale der beiden Hufeisennasenarten

Das Hauptmerkmal der Hufeisennasen ist das o.g. hufeisenförmige Nasenblatt, welches von einer anderen häutigen Struktur, der pfeilspitzenartigen sogenannten Lanzette, sowie dem beilartig geformten Längskamm überragt wird. Die Ohren sind relativ groß und an der Basis breit. Ein Tragus (Ohrdeckel), wie bei den Glattnasen-Fledermäusen fehlt und es ist ein sogenannter Antitragus ausgebildet, der horizontal am unteren Ohrenrand verläuft. Die Augen sind recht klein. Die Flügel sind bei beiden Arten breit und gedrungen, was einen wendigen Flug und eine hohe Manövrierfähigkeit z.B. durch das Laub der Bäume erlaubt. Die Fluggeschwindigkeit liegt bei 3 – 6 m/s.

Biologie und Ökologie der Hufeisennasen

Als wärmeliebenden Tiere leben die meisten Arten der Hufeisennasen weltweit eher in den Tropen oder Subtropen. Der Ausflug aus den Tagesquartieren erfolgt bei den Hufeisennasen erst nach Sonnenuntergang. Sie fliegen bevorzugt in warmen Nächten, kühles und regnerisches Wetter sowie starker Wind beeinträchtigen den Ausflug oder unterbinden ihn. Als Tagesquartiere dienen ihnen Orte mit einer konstant niedrigen Temperatur, wie Höhlen, Stollen oder Felsspalten, aber auch Gebäude, in denen ähnliche Temperaturverhältnisse vorliegen. Sie wurden aber auch in Heizungskellern und auf dunklen Dachböden gefunden. 

Wichtig ist dabei, dass die Fledermäuse ungehindert in ihre Quartiere ein- und ausfliegen können. Hufeisennasen hängen frei von der Decke, an Mauervorsprüngen oder an Elektroleitungen und wahren in der Regel eine Distanz zur nächsten Fledermaus. An kühleren Tagen und zur Zeit der Jungenaufzucht hängen sie aber auch in kleineren Gruppen zusammen, um Körperwärme auszutauschen. 

Die Männchen leben einzelgängerisch und treffen zur Paarungszeit im Herbst mit den Weibchen zusammen. In den Winterquartieren können sich beide Geschlechter zusammen aufhalten, die sich dann im Frühjahr wieder trennen und für den Sommer getrennte Tagesquartiere aufsuchen. In den Wochenstuben, wo die Jungtiere aufgezogen werden, finden sich neben den erwachsenen Weibchen auch subadulte Weibchen und Männchen.

Hufeisennasen gehören zu den standorttreuen Fledermäusen, das heißt sie wandern nicht, wie andere Fledermausarten. Im Oktober oder November bei Einsetzen der ersten Kälteperiode suchen die Hufeisennasen frostfreie Winterquartiere auf und ihr Winterschlaf beginnt. Sie senken ihre Körpertemperatur bis nahe 0°C und hängen so erstarrt an den Decken ihre Quartiere. Sinkt die Temperatur am Hangplatz weiter ab, wacht die Fledermaus auf und sucht sich einen günstigeren Platz, wo der Winterschlaf fortgesetzt wird. Wacht eine Fledermaus zu oft auf oder wird sie zu oft gestört, werden ihre Energievorräte aufgebraucht und sie kann sterben. Hufeisennasen überwintern tiefer in Stollen oder Höhlen, weit weg vom Eingang bei etwa 8 – 10 C Umgebungstemperatur. Bei günstiger Witterung im Frühjahr erwärmt sich die Fledermaus innerhalb von 30 – 60 min und verlässt das Winterquartier.

Die äußere Unterscheidung der Geschlechter ist bei Hufeisennasen nicht möglich. In den Herbstmonaten erfolgt die Paarung und erst im darauffolgenden Frühjahr werden die weiblichen Eizellen durch die, im Winterschlaf im Uterus des Weibchens gespeicherten männlichen Samenzellen befruchtet. In der Regel hat ein Weibchen nur ein Jungtier pro Jahr. Die Weibchen finden sich zu Wochenstuben zusammen, wo die Jungen geboren werden. Neben den beiden eigentlichen Milchdrüsen, den Zitzen, haben die Hufeisennasen noch ein paar Haftzitzen in der unteren Bauchregion, wo sich das Jungtier durch Festsaugen halten kann. Nachts fliegen die Mütter aus und lassen die Jungtiere allein im Quartier. Da diese oft noch nackt sind oder nur wenig Fell besitzen, können sie schnell auskühlen. Die Ernährung der Jungtiere durch die Mütter erfolgt 4 bis 5 Wochen lang und nach 3 Wochen beginnen die Jungtiere mit ersten Flugversuchen. 

Durch den Fund eines beringten Tieres konnte ein Alter von bis zu 30 Jahren für Hufeisennasen festgestellt werden – die meisten Tiere werden jedoch nicht so alt. Man schätzt, dass etwa die Hälfte aller Jungtiere den ersten Winter nicht überlebt, die mittlere Lebenserwartung wird auf 4 bis 5 Jahre geschätzt.

Hufeisennasen sind, wie alle Fledermäuse in Deutschland, Insektenfresser. Die Insekten werden im Flug mit den Flügeln erbeutet und zum Maul geführt. Dabei nehmen sie innerhalb einer Nacht bis zu 20 – 30% ihrer Körpermasse an Insekten auf. Die Beuten wird mittels Echolauten, die anders als bei den Glattnasenfledermäusen nicht aus dem Maul, sondern der Nase ausgestoßen werden, geortet. Die Laute werden von den beweglichen Ohren aufgenommen, wodurch sich die Fledermäuse ein akustisches Bild ihrer Umgebung machen können.

Jedes Nasenloch ist dabei eine punktförmige Schallquelle, die Laute selber werden im Kehlkopf gebildet. Durch das hufeisenförmige Nasenblatt wird das Schallfeld eingeengt und in Flugrichtung gebündelt, wobei jede Hufeisennasenart ihre eigene Ortungsfrequenz hat, wodurch man sie mit Hilfe eines Fledermaus-Detektors unterscheiden kann. Hufeisennasen senden lange, konstant frequente Laute mit einem frequenzmoduliertem Anfangs- und Endteil aus, die bei 10 – 15 Kilohertz (kHz) liegen. Im Suchflug werden nicht ununterbrochen Laute ausgestoßen und Pausen dazwischen eingeschaltet. Erst bei Annäherung an ein Hindernis oder ein Beutetier steigert sich die Häufigkeit der Laute bis zu 70 bis 80 Laute pro Sekunde. 

Hufeisennasen hängen sich gerne an Äste und orten ihre Umgebung von diesem Standort aus. Dabei können sie das Flügelschlagen eines Insektes vor dem Rauschen der Blätter im Hintergrund unterscheiden, da das sog. Stör-Echo der Blätter weitgehend konstant bleibt, während das fliegende Insekt rhythmische Frequenzveränderungen aussendet, die die Fledermaus dann erkennt – sie ist also auf die Flügelschlag-Detektion spezialisiert.

Die Kleine Hufeisennase (Rhinolophus hipposeridis Borkhausen, 1797)

Die Kleine Hufeisennase ist die kleinste Art der fünf europäischen Hufeisennasen. Ihr Fell ist locker, weich und von variabler Färbung, oberseits bräunlich bis grau und unterseits gelblichbraun, grau oder grauweiß. Es wurden auch schon albinotische Tiere (reinweiß, mit roten Augen) gefunden. Die Ohren sind relativ groß und überragen die Spitze der Schnauze. Die Flügel sind breit gerundet, die Hinterfüße klein. Im Winterschlaf hüllen sich die Fledermäuse vollständig in ihre Flughäute ein.

Die Verbreitung der Kleinen Hufeisennase reicht im Nord-Westen von Irland über England, Spanien, Frankreich, Belgien, Luxemburg bis zur Mosel nach Deutschland und vom Süd-Osten über Russland, die Ukraine, Griechenland, Türkei, Tschechien, Slowakei, Österreich bis nach Deutschland. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war die Kleine Hufeisennase in den deutschen Mittelgebirgen noch häufig anzutreffen, bis sie nach und nach in den rheinischen Lebensräumen, dem Harz, der Frankenalb und der Eifel ausgestorben ist. In vielen Bundesländern gilt sie als ausgestorben. Nur in Thüringen, Sachsen-Anhalt und in Sachsen konnte sich der Bestand erholen, sodass er 1998 auf etwa 350 Tiere geschätzt wurde.

Die Große Hufeisennase (Rhinolophus ferrumequinum Schreber, 1774)

Die Große Hufeisennase ist die größte Hufeisennasenart in Europa. Sie hat kurze und breite Flügel, was einen wendigen Flug auf engstem Raum in dichter Vegetation ermöglicht. Sie hat ein dichtes, weiches Fell, oberseits graubraun bis gelbbraun und unterseits heller grauweiß, gelblichweiß oder hellbraun. Wie die Kleine Hufeisennase auch, hüllen sich die Tiere im Winterschlaf in ihre Flughäute ein. Am Kopf und an den Füßen befinden sich lange Tasthaare, die beim Klettern im dunklen Quartier der Orientierung dienen. Die Hauptverbreitung der Großen Hufeisennase liegt im Mittelmeergebiet und in den Balkanländern. Nördlich kommt sie über Süddeutschland, Luxemburg, Belgien bis nach Südwestengland vor. Südlich ist sie in Spanien, Frankreich, Italien, Griechenland, Türkei bis nach Osteuropa verbreitet. Derzeit gibt es nur wenige Nachweise in Winterquartieren des Nahetals, Saartals und Moseltals und noch etwas größere Vorkommen im Saarland an der Grenze zu Frankreich und in Oberbayern (Stand 1998). In den Wintern der Jahre 2008 und 2009 wurde eine Große Hufeisennase in einem Stollen bei Hagen (Westfalen) entdeckt und einzelne Tiere wurden in mehrmals seit 2007 in einem Grubenkomplex bei Mechernich in der Eifel beobachtet. Zwischen den beiden Fundorten Hagen und Mechernich liegen etwa 100 km Luftlinie und zwischen den nächsten größeren Vorkommen in Belgien und Hagen sind es 150 km, während die Luftlinie von Hagen bis zum Vorkommen im Raum Trier 180 km Luftlinie beträgt. Da Große Hufeisennasen, obwohl sie sehr standortstreu sind, im Einzelfall Wanderungen von über 180 km zurücklegen können, ist es möglich, dass das Einzeltier in Hagen aus den größeren Vorkommen bei Trier oder aus Belgien stammt.


Große und Kleine Hufeisennase

Gefährdung und Schutz

Obwohl in großen Teilen ihres Verbreitungsgebiets, besonders in Mitteleuropa, die Bestände der Kleinen Hufeisennase und der Großen Hufeisennase seit etwa Mitte des 20. Jahrhunderts zurückgehen, werden beide Arten aufgrund ihres großen Verbreitungsgebiets seitens der Weltnaturschutzunion (IUCN) als „nicht gefährdet“ eingestuft. Als Hauptgründe für den Bestandsrückgang werden der Verlust von geeigneten Quartieren bzw. der Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft und der damit verbundene Rückgang des Nahrungsangebotes an Insekten, genannt.

In der Roten Liste Deutschland von 2020 haben die Kleine Hufeisennase und die Große Hufeisennase den Status 1 (Vom Aussterben bedroht). In der Roten Liste von NRW ist die Große Hufeisennase vom Aussterben bedroht (Status 1) und die Kleine Hufeisennase bereits ausgestorben (Status 0). Nach Bundesnaturschutzgesetz sind beide Arten, wie alle Fledermäuse in Deutschland, streng geschützt.

Quellen

Blauscheck Ralf und Henning Vierhaus (2010): Eine Große Hufeisennase, Rhinolophus ferrumequinum (Schreber, 1774), in Westfalen. Nyctalus 15(2-3): 191-194

Csorba Gabor, Peter Ujhelyi and Nikki Thomas (2003): Horseshoe bats of the world. Alana Books Shropshire: 1-200

Schober Wilfried (1998): Die Hufeisennasen Europas. Die Neue Brehm-Bücherei Band 647. Westarp Wissenschaften, Hohenwarsleben

© Text und Zeichnung  Dr. Andreas Müller, Düsseldorf